Wachstum: Jedes Kind muss bei der Einschulung Deutsch sprechen
Die Basis unseres Wohlstands droht zu erodieren. Maßgeblich verursacht durch ein ineffizientes Bildungssystem, Arbeitskräftemangel, fehlenden Innovationsdrang und die schleichende Demontage der industriellen Substanz. Um dem zu begegnen, braucht es vor allem eines: Mut! Mut, die Zukunft aktiv zu gestalten, anstatt sich noch länger auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen.
Unser heutiger Erfolg beruht auf den Leistungen unserer Eltern und Großeltern. „Wohlstand für alle“ lautete das zentrale Versprechen. Erst Wirtschaftswunder, dann Exportweltmeister und schließlich der Aufstieg zur größten Volkswirtschaft Europas. Mit unternehmerischem Mut und Entschlossenheit gelang es, sich einen Platz an der Spitze der weltweiten Volkswirtschaften zu erarbeiten.
Doch vieles ist nicht mehr spitze. Die Produktivität pro Kopf stagniert hierzulande seit fünf Jahren, während die USA uns vor allem dank Fortschritten im Hightech-Sektor enteilen. Allein seit 2020 hat sich der Abstand in Sachen Fortschritt und damit Wohlstand um fast zehn Prozentpunkte vergrößert.
Sozialabgaben von über 50 Prozent machen Deutschland immer weniger wettbewerbsfähig
Beim US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 entfallen 40 Prozent des Wertes auf Tech-Aktien. In Deutschland boomt hingegen der öffentliche Dienst. Einzig hier entstehen Jobs, während die Unternehmen straucheln. Bahnbrechende Innovationen? Fehlanzeige!
Damit wird das Fundament unserer Sozialen Marktwirtschaft zunehmend ausgehöhlt. Denn das seinerzeit große Versprechen Ludwig Erhards, Wohlstand für alle durch die „Sozialisierung des Fortschritts“ zu schaffen, ist nur haltbar, solange der zu verteilende Kuchen wächst.
Aktuell jedoch diskutieren wir lediglich über die Größe der Kuchenstücke und verdrängen, dass der Kuchen immer kleiner wird. Und das in Zeiten einer rasanten Alterung der Gesellschaft. Während heute noch drei Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen, wird dieses Verhältnis bis 2050 auf zwei zu eins sinken. Sozialabgaben von über 50 Prozent drohen und machen unternehmerische Tätigkeit in Deutschland international immer weniger wettbewerbsfähig.
Anstatt diese Entwicklung weiter hinzunehmen, ja politisch zu forcieren, sollte sich Deutschland auf seine Stärken besinnen. Aus unserer Sicht sind drei Themen vordringlich.
Die Politik sollte den technologischen Wandel unterstützen, anstatt ihn übermäßig zu regulieren
Erstens: Freie Bahn für technologischen Fortschritt und Innovation. Eine Sozialisierung von Fortschritt ist bloß möglich, wenn es Fortschritt gibt! Weltweit erleben wir derzeit eine förmliche Explosion des Wissens: Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Bio- und Cleantech führen zu tiefgreifenden Umbrüchen und schaffen mannigfaltige Chancen für unternehmerische Persönlichkeiten. Hier liegt die Zukunft unseres Landes – und nicht in der Bewahrung überkommener Strukturen.
Die Politik sollte diesen Wandel unterstützen, anstatt ihn mit Regulierung einzuhegen. Zugleich muss auch der Staat die neuen Technologien nutzen, um den eigenen Apparat zu entschlacken und die Staatsquote zu senken.
Zweitens: Bildung als Aufstiegsmotor. Statt unsere Kinder auf die Zukunft vorzubereiten, sind wir immer noch in den Lehrplänen der Vergangenheit gefangen. Gleichzeitig kann ein Viertel der Jugendlichen heute nicht einmal auf Grundschulniveau lesen; vor allem Kinder mit Einwanderungsgeschichte haben das Nachsehen.
Es braucht jetzt ein klares Ziel: Jedes Kind muss bei seiner Einschulung Deutsch sprechen, nur so schaffen wir Chancengleichheit. Wer später zu uns kommt, wird im Eiltempo fit gemacht. Das wird Geld kosten. Aber das ist gut investiertes Geld in die Arbeitskräfte der Zukunft.
Und diejenigen, die bereits arbeiten? Für die muss lebenslanges Lernen endlich gelebte Praxis werden. Nur als lernende Gesellschaft sind wir eine zukunftsfähige Gesellschaft.
Drittens: Arbeit als lebenslange Normalität. Schon heute ist der Arbeitskräftemangel eine der zentralen Herausforderungen für Unternehmen – und das trotz Rekord-Erwerbstätigkeit. Dieser Engpass für Unternehmen wird sich angesichts des Renteneintritts der Babyboomer weiter verschärfen. Fünf Millionen Menschen fehlen uns schon in zehn Jahren. Wir sollten daher alle Barrieren beseitigen, die heute noch Vollzeitjobs im Wege stehen – dies sind etwa Defizite bei der Betreuung von Kindern und in der Pflege. Allein werden wir den Wohlstand aber kaum halten können, wir sind auf die Hilfe von qualifizierten Einwanderern angewiesen.
Deutschland und die kommende Bundesregierung stehen vor historischen Herausforderungen. Wandel braucht Mut – den Mut, der einst Deutschlands Aufstieg ermöglichte. Deutschland braucht eine Vision für die Zukunft – eine, die uns aus der Innovationskrise, der drohenden Arbeiterlosigkeit und aus der politischen Selbstzufriedenheit herausführt. Denn nur so können wir Wohlstand für alle schaffen und vergrößern.
Die Autoren:
Anahita Thoms ist Partnerin bei Baker McKenzie.
Sebastian Dettmers ist CEO der Stepstone Group.
