1. Startseite
  2. Meinung
  3. Gastbeiträge
  4. Wendepunkt der Weltwirtschaft: Wie geht es nach Corona weiter?

AnalyseWendepunkt der Weltwirtschaft: Das sind die Folgen der Corona-Pandemie

Die Folgen der Krise sowie der Wirtschaftskrieg zwischen China und den USA stellen die deutsche Wirtschaft vor Probleme. Aber es gibt einen Ausweg.Bert Rürup, Axel Schrinner 10.07.2020 - 04:00 Uhr

Die Spielregeln in der Weltwirtschaft ändern sich.

Foto: Moment/Getty Images [M]

Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen? Diese Frage stellte 1972 der renommierte US-Meteorologe Edward N. Lorenz in einem Vortrag vor der „American Association for the Advancement of Science“ – und bejahte sie zugleich. Der von ihm skizzierte „Schmetterlingseffekt“ tritt in nichtlinearen dynamischen, deterministischen Systemen auf.

Demnach ist es nicht vorhersehbar, wie selbst kleine Änderungen in einem System langfristig gravierende Folgen für dessen Entwicklung haben kann. Lorenz baute seine Erkenntnis auf der Chaostheorie auf, erhielt dafür 1991 den Kyoto-Preis in der Sparte Grundwissenschaften. Seine Idee wurde „als eine der dramatischsten Veränderungen in der Sicht der Menschheit auf die Natur seit Sir Isaac Newton“ gewürdigt.

Und tatsächlich, die Vergangenheit kennt viele, gemeinhin als Zufall bezeichnete Ereignisse, die den Verlauf der Weltgeschichte veränderten. Auch im vergangenen Dezember, als auf einem Markt im chinesischen Wuhan ein neuartiges Virus von einem Tier auf den Menschen übersprang und wenig später erste Patienten mit einer mysteriösen neuen Lungenerkrankung behandelt wurden.

Damals ahnte wohl niemand, dass daraus eine Pandemie werden würde, die binnen weniger Wochen die gesamte Weltwirtschaft aus der Bahn warf. Jetzt stellen sich die Menschen überall die entscheidende Frage: Wie geht es weiter?

Wie im Detail sich das Virus weiter ausbreitet, ob eine zweite oder dritte Welle droht und wann ein Impfstoff gefunden wird – all diese Dinge bleiben bis auf Weiteres ungeklärt. Aber eines wird immer klarer: Corona ist ein Wendepunkt für die Weltwirtschaft.

Die bislang erfolgsverwöhnte deutsche Wirtschaft wird leiden, der bislang verschlafene Strukturwandel wie zur Elektromobilität oder die wachsende Konkurrenz aus China im Maschinenbau setzten dem Land verschärft zu. Eine Rückkehr zur alten wirtschaftlichen Kraft ist vor 2022 nicht zu erwarten.

Corona wirbelt die Welt durcheinander. Von einem Tag auf den anderen kam die Weltwirtschaft zum Stillstand. Jetzt versuchen die Volkswirtschaften wieder zur Normalität zurückzukehren, doch so einfach ist das nicht mit der ökonomischen Analyse: Was richtete das Virus mit der Weltwirtschaft an? Sechs bekannte Ökonominnen und Ökonomen aus allen Regionen der Welt haben sich aus ihrer Perspektive für das Handelsblatt dieser Frage angenommen und analysieren mit ihrem Sachverstand die Situation.

Foto: Smetek

Wie schätzen die anderen Top-Ökonomen die Zukunft ein?

Womöglich werden künftige Wirtschaftshistoriker die Coronakrise als entscheidende Ursache für das Ende der beschleunigten Globalisierung, die vor vier Jahrzehnten einsetzte, bezeichnen. Deutschland steht mitten im amerikanisch-chinesischen Wirtschaftskrieg. Die beiden Länder sind wichtige Absatzmärkte, die weltweit beneidete deutsche Exportmaschine gerät ins Stottern.

Aber die große Chance für Deutschland liegt in Europa. Corona könnte so eine stärkere Integration der Euro-Zone bewirkt haben, was eine historische Leistung wäre.

Große Zeiten, wichtige Themen. Um die Situation besser einzuschätzen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, lohnt sich der Blick zurück die Geschichte.

Gewinner der Globalisierung

Die Achtzigerjahre waren in der westlichen Sphäre vom Glauben an freie Märkte geprägt. US-Präsident Ronald Reagan versprach seinem von Watergate, Vietnam und iranischer Revolution erschütterten Land den Weg zurück zur alten Größe und weltwirtschaftlichen Dominanz.

Ende der beschleunigten Globalisierung?

Foto: AP

Seine „Reaganomics“, das angebotstheoretische Credo, bescherten den Amerikanern und mit zeitlicher Verzögerung vielen anderen Ländern der westlichen Welt die Verschlankung des Staates, nicht zuletzt durch Senkung der Sozialausgaben und niedrigere Steuern sowie eine Deregulierung der Märkte und des globalen Handels – um den Preis einer Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung.

Als 1989 der Eiserne Vorhang fiel, wurde der bis dato ökonomisch weitgehend isolierte Ostblock Teil dieses Welthandels – und die Globalisierung gewann an Fahrt. Der US-amerikanische Politikwissenschaftlicher Francis Fukuyama rief – vorschnell – das Ende der Geschichte aus, Demokratie, Kapitalismus und freier Welthandel hätten gesiegt. Sinkende Transportkosten und das immer leistungsfähigere Internet bescherten der Globalisierung zusätzlichen Schub, von dem nicht zuletzt auch viele Schwellenländer profitierten.

Zwischen 1980 und 2000 verdreifachten sich die globalen Exporte von etwa zwei auf gut sechs Billionen US-Dollar und von 2000 bis 2019 von gut sechs auf 19 Billionen US-Dollar. Trotz wachsender Bevölkerung wurde der Hunger in vielen Teilen der Welt besiegt.

Die deutsche Wirtschaft machte in den zurückliegenden Dekaden erstaunlich wenig falsch – und wurde so zu einem der größten Profiteure der Globalisierung. Angetrieben von der Produktivitätspeitsche nahezu regelmäßiger D-Mark-Aufwertungen wurden von den auf Effizienz getrimmten Industrieunternehmen nahezu alle Fertigungen in Niedriglohnländer ausgelagert – und qualitativ hochwertige und gut bezahlte Arbeitsplätze in Deutschland gesichert.

Bei der Suche nach geeigneten Zulieferern profierte Deutschlands Industrie zunächst vom Fall des Eisernen Vorhangs und später von der Industrialisierung Asiens. Doch beide Regionen dienten nicht nur als Niedriglohngebiet für ausgelagerte Produktionsteile, sie wurden auch zu wichtigen Absatzmärkten für Produkte „made in Germany“.

Autos mit leistungsstarken Verbrennungsmotoren sowie hochwertige Investitionsgüter wurden zum Inbegriff deutscher Ingenieurskunst. Noch heute sind nicht wenige Politiker und Bürger stolz, wenn Deutschland den welthöchsten Außenhandelsüberschuss einfährt.

So gelang es Deutschland im Vergleich zu allen anderen früh entwickelten Industrieländern, einen außerordentlich großen Industriesektor zu erhalten. Ohne das sehr leistungsstarke verarbeitende Gewerbe hätte es in der vergangenen Dekade den langen und sehr beschäftigungsintensiven Aufschwung nicht gegeben. Kein anderes großes Industrieland ist heute so intensiv in die internationale Arbeitsteilung integriert wie Deutschland – zumindest bis Corona kam.

Schwaches Wirtschaftswachstum

Die Pandemie ließ auf einen Schlag die Risiken der auf Effizienz getrimmten internationalen Wertschöpfungsketten zutage treten. Zum einen mangelte es Deutschland plötzlich an überlebenswichtigen Cent-Artikeln wie einfachen Atemschutzmasken, Schutzkleidung, Fiebermedikamenten oder Desinfektionsmitteln. Zum anderen fehlten der deutschen Industrie wichtige Vorprodukte aus China, weil dort wegen des Corona-Ausbruchs Produktionsstätten und Häfen geschlossen wurden.

Selbst wenn die deutsche Politik auf einen Lockdown verzichtet hätte, viele Unternehmen hätten ihre Produktion früher oder später herunterfahren oder gar einstellen müssen. Die Konsequenz: Laut einer aktuellen EY-Umfrage wollen mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen aufgrund der jüngsten Erfahrungen ihre Lieferketten umstrukturieren und die Liefersicherheit erhöhen, selbst um den Preis steigender Kosten.

Professor Bert Rürup ist Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI) und Chefökonom des Handelsblatts.

Foto: David Maupile

Axel Schrinner ist Wirtschaftsjournalist und Textchef beim Handelsblatt Research Institute (HRI).

Foto: Pablo Castagnola [M]

Zu Beginn der Coronakrise im März dieses Jahres hofften viele Ökonomen und noch mehr verantwortliche Politiker, dass dieser Globalisierungsboom nur von einer kurzen heftigen Rezession unterbrochen werde, so, wie dies auch im Winter 2008/09 nach der Finanzkrise der Fall gewesen war.

Mittlerweile rechnet niemand mehr mit solch einem V-förmigen Konjunkturverlauf. Das Vorkrisenniveau der gesamtwirtschaftlichen Leistung wird keineswegs vor 2022 wieder erreicht werden. Und weil für die Jahre danach eher mit einem schwächeren als mit einem stärkeren Trendwachstum zu rechnen ist, werden sich Deutschlands Bevölkerung und Politik mit einem nachhaltig flacheren Wachstumspfad arrangieren müssen.

Das bedeutet geringere Einkommenszuwächse, weniger Steuereinnahmen, weniger Geld für Investitionen und Verteilungspolitik und eine geringere Resilienz der Volkswirtschaft gegen künftige Schocks. Die während des Shutdowns gemachten Erfahrungen mit Homeoffice, Onlinediensten, Videokonferenzen und Internethandel werden überdies in einigen Branchen den Strukturwandel massiv beschleunigen.

Zudem spricht einiges dafür, dass sich das in der Vergangenheit erfolgreiche „Geschäftsmodell“ des exportorientierten Wachstums ein Stück weit überlebt hat und die Corona-Pandemie dabei wie ein Turbo wirkt. Denn wichtige Teile der deutschen Industrie befinden sich in einer Strukturkrise. Vor allem die Autoindustrie hat mit einem beachtlichen Maß an Arroganz den Trend zu neuen Antriebsformen und Mobilitätskonzepten verdrängt.

Darüber hinaus leidet der Maschinenbau, die zweite Vorzeigebranche des Landes, unter Konkurrenz vor allem aus China, die stark aufgeholt hat. Mittlerweile bietet das Land technisch weniger perfekte, den Ansprüchen vieler Unternehmen in China und in den Schwellenländern aber genügende Anlagen zu deutlich geringeren Preisen an.

Eine dynamische Erholung der deutschen Konjunktur durch Wachstumsimpulse aus dem Ausland ist daher nicht zu erwarten, zumal auch die wichtigsten Zielländer der deutschen Industrie – die USA, Frankreich, China, die Niederlande und Großbritannien – in nicht weniger großen Schwierigkeiten stecken als die deutsche Volkswirtschaft. Zudem bemüht sich China, das als erstes Land aus der Coronakrise herausgekommen ist, zunächst seine eigenen Industrien auszulasten, anstatt Investitionsgüter aus Deutschland zu importieren.

Joe Biden ändert nicht viel

Das perspektivisch größte Problem Deutschlands erwächst aus dem Kampf der beiden Supermächte USA und China um die geopolitische Vorherrschaft. Der nicht erst seit dem Amtsantritt von Donald Trump ausgetragene Konflikt wird die Spielregeln der internationalen Arbeitsteilung nachhaltig verändern.

Die USA sind die größte und wirtschaftlich dominierende Volkswirtschaft. Sie sind das wichtigste Zielland nicht nur für deutsche Exporte und verfügen mit dem US-Dollar über die einzige wirkliche Weltwährung. Das Land kann somit faktisch selbst bedrucktes Papier gegen Waren aller Art tauschen.

Zudem hat die Regierung mit dem Dollar eine Waffe in der Hand, mit der sie jedem entwickelten Land seinen politischen Willen aufzwingen kann. Schließlich werden nahezu alle Rohölkontrakte und die Mehrzahl der Rohstoff- und Devisengeschäfte in Dollar abwickelt.

Das perspektivisch größte Problem Deutschlands erwächst aus dem Kampf der beiden Supermächte USA und China um die geopolitische Vorherrschaft.

Ein Beispiel für diese Macht des US-Dollars ist das zügige Einschwenken der deutschen Industrie und Politik auf den Sanktionskurs der USA gegen den Iran, nachdem die US-Administration Deutschland mit Einfuhrbeschränkungen gedroht hat.

Und dass die USA dabei nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden, zeigen die Sanktionen, mit denen die USA die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und der EU verhindern wollen – und damit Europa das Recht auf Energieunabhängigkeit absprechen.

Im Kampf um die ökonomische Vormachtstellung in der Welt dürften die USA den US-Dollar im Zusammenspiel mit selektiven Einfuhrverboten verstärkt einsetzen, um ausländische Unternehmen, die Produkte in diesem Land absetzen wollen, zu Investitionen in den USA zu zwingen. Damit wird sowohl die Realkapitalausstattung des Landes modernisiert als auch dessen Importabhängigkeit verringert.

Der Fall Huawei belegt zudem, dass die US-Regierung die Möglichkeiten hat, den Aufstieg eines chinesischen Tech-Konzerns zum Weltmarktführer systematisch zu torpedieren. Angesichts der verheerenden Schäden, die Corona gerade in den USA anrichtet, ist zu erwarten, dass Frequenz und Aggressivität solch industriepolitischer und protektionistischer Maßnahmen noch zunehmen dürften.

Womöglich werden die vielen Corona-Opfer zu nachhaltigen Veränderungen in der US-Gesellschaft, im Sozialsystem und in der Wirtschaft führen – und das Ende der Ära Trump besiegeln. Doch auch unter einem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden dürfte sich inhaltlich wenig an der egoistischen America-first-Politik ändern – allenfalls der Umgangston dürfte wieder etwas freundlicher werden.

China versucht, Europa zu spalten

Auf der anderen Seite des Pazifiks investiert das diktatorisch regierte China kräftig in die Rüstung, um „die Volksarmee zu einer Weltklassearmee zu machen“, wie es Staats- und Parteichef Xi Jinping ausdrückte. Zudem versucht das Land, den Yuan als Weltwährung zu etablieren, und lockt mit reformierten Investorenregeln Milliarden US-Dollar in die eigene Währung.

Aus den geopolitischen Ansprüchen macht Xi mittlerweile keinen Hehl mehr. Er will das Land zur führenden Technologiemacht und zur Hegemonialmacht zumindest der östlichen Hemisphäre entwickeln – um fast jeden Preis. Zweifel am Kurs der Partei stehen unter Strafe.

Die Zentralregierung baut eine digitale Überwachungsdiktatur auf, um abweichendes Verhalten mit dem Verlust von Sozialpunkten zu bestrafen. Selbst offen bekundete Zweifel an der angeblich so perfekten Bekämpfung des Coronavirus werden hart bestraft. Die Bevölkerung Hongkongs muss gerade miterleben, wie Peking dort Fakten schafft – und der Rest der Welt schulterzuckend zuschaut.

Eröffnungszeremonie des chinesischen Sicherheitsbüros in Hongkong.

Foto: dpa

Mit dem neomerkantilistischen Projekt „Neue Seidenstraße“ knüpft Peking überdies ein kontrolliertes Netz von Produktionsstandorten und Absatzmärkten, das in erster Linie der Entwicklung der chinesischen Ökonomie dienen und zudem über die Gewährung von hohen Kreditlinien neue Abhängigkeiten und Möglichkeiten der politischen Einflussnahme schaffen soll.

Darüber hinaus lässt Peking – wie auch die USA und Russland – keine Gelegenheit für Versuche aus, um Europa zu spalten. So schickte China öffentlichkeitswirksam Hilfsgüter und Expertenteams in die Corona-Hotspots Italien und Spanien und erntete dafür viel Sympathie in diesen Ländern, auch weil die anderen EU-Staaten Solidarität vermissen ließen.

„Die EU hat es nicht geschafft, Italien, das derzeit am schwersten betroffen ist, effektiv zu helfen“, sagte der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Benner Ende März. „Viele in Deutschland reden von europäischer Schicksalsgemeinschaft. Aber wenn das Schicksal zuschlägt, scheint es so, dass wir unseren EU-Partnern nicht helfen.“

Projekt Europa

So stellte die Pandemie binnen weniger Wochen so ziemlich alles infrage, was in Europa in sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte mühsam aufgebaut worden war. Fast überall wurden eigentlich als selbstverständlich erachtete Grundrechte und -freiheiten massiv eingeschränkt.

Der für die EU so wichtige freie Verkehr von Menschen, Gütern und Dienstleistungen wurde über Nacht suspendiert, die Schlagbäume an den Grenzen wurden wieder hochgezogen. Wer keinen triftigen Grund angeben konnte, durfte sein Land nicht verlassen. Die von manchen mehr oder weniger heimlich zurückgesehnte alte Nationalstaatlichkeit wurde schlagartig Realität.

Und so blieb Bundeskanzlerin Angela Merkel wohl gar nichts anderes übrig, als die eingerostete deutsch-französische Achse wiederzubeleben und gemeinsam mit Präsident Emmanuel Macron einen Wiederaufbauplan für Europa zu skizzieren.

Die Pandemie stellte binnen weniger Wochen so ziemlich alles infrage, was in Europa in sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte mühsam aufgebaut worden war.

Nur weil die Bundeskanzlerin dabei zuvor gezogene rote Linien übersprang und selbst nicht zurückzahlbare Finanzhilfen für strukturschwache Mitgliedstaaten ins Spiel brachte, konnte dem europäischen Gedanken neues Leben eingehaucht werden.

Offenbar hat Merkel in der letzten Phase ihres politischen Lebens erkannt, dass die deutsche Volkswirtschaft wohl der größte Gewinner wäre, wenn die Staaten Europas die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie möglichst bald überwinden könnten. Schließlich ist Europa das bei Weitem wichtigste Zielgebiet deutscher Exporte.

Nur wenn sich die EU-Länder in der aktuellen Krise nachhaltig als Solidargemeinschaft erweisen, könnte diese Staatengemeinschaft künftig auch außenpolitisch wieder überzeugender auftreten – selbst wenn diese Solidarität nicht aus Überzeugung resultiert, sondern durch zwischenstaatliche Transfers erkauft wurde.

Europa – vereint bei einem Videogipfel der Staats- und Regierungschefs.

Foto: dpa

Sicher: Vieles, was wir derzeit als akute Krisenbekämpfung erleben, wird nach der Krise wieder verschwinden. Wenn aber eine Stärkung der EU-Kommission zulasten der gegenwärtig 27 nationalen Regierungen die Coronakrise überdauert und nachhaltig implementiert werden würde, wäre eine vielleicht einmalige Chance genutzt worden, den Zusammenhalt in Europa zu stärken. Den beiden Supermächten bliebe dann nichts anderes übrig, als Europa als einen dritten Spieler am Verhandlungstisch als neue Normalität zu akzeptieren.

Oder Europa zerfällt in Klein- und Kleinststaaten, die im Vergleich zu den USA und China Zwerge sind. „Und mit Zwergen geht man nicht immer freundlich um“, sagt Altkanzler Gerhard Schröder. „Bestenfalls stellt man sie in den Garten.“ Auch das könnte zur neuen Normalität werden.

In der amerikanischen Literatur wird die Chaostheorie oft als dritte wissenschaftliche Revolution des 20. Jahrhunderts bezeichnet und in einem Atemzug mit der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik genannt.

Der russisch-belgische Physikochemiker, Philosoph und Nobelpreisträger Ilya Prigogine betonte einmal, der Schmetterlingseffekt sei keineswegs nur eine unangenehme Begleiterscheinung der Nichtlinearität. Das Chaos sei vielmehr eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Neues eintreten könne. „Die Evolution muss instabil sein, sie muss Mechanismen aufweisen, die imstande sind, bestimmte Ereignisse zum Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung, einer neuen globalen Kohärenz zu machen.“

Womöglich ist die gegenwärtige Pandemie ein solches Ereignis – zumindest bezogen auf die Entwicklung der globalen Wirtschaft.

Mehr: Schlechte Aussichten für Deutschland: „Die goldenen Exportzeiten werden wir nicht wieder erleben“

Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt