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GastkommentarDer Weg in Richtung humanistische Superintelligenz

Die folgenreichste Frage unserer Zeit lautet nicht, ob KI uns übertreffen wird, denn das tut sie bereits. Es geht um etwas ganz anderes, meint Mustafa Suleyman, CEO von Microsoft AI.Mustafa Suleyman 14.11.2025 - 04:01 Uhr
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Mustafa Suleyman ist CEO von Microsoft AI und Verfasser von „The Coming Wave – Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts“. Foto: Laif, Dpa []

Die folgenreichste Frage unserer Zeit lautet nicht, ob Künstliche Intelligenz (KI) uns übertreffen wird, denn in gewisser Weise tut sie das bereits (versuchen Sie einmal, eine KI im Allgemeinwissen zu schlagen). In vielerlei anderer Hinsicht wird sie das tun, und in gewissen Bereichen werden wir immer einzigartig bleiben. Die eigentliche Frage ist, ob wir KI so gestalten können, dass sie das Wohlergehen der Menschheit fördert, anstatt es zu beeinträchtigen. Genau darin besteht die bedeutendste Herausforderung unserer Zeit.

Freilich sind mittlerweile alle darauf getrimmt, angesichts des KI-Hypes genervt zu reagieren. Ich verstehe das. Doch die Herausforderung könnte größer nicht sein. Wissenschaft und Technologie waren schon immer der stärkste Motor für den Fortschritt der Menschheit. In den letzten 250 Jahren hat es dieser Motor geschafft, die Lebenserwartung zu verdoppeln, Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien und uns Antibiotika, Elektrizität und weltweite Echtzeitkommunikation zu bescheren.

KI ist das nächste Kapitel in dieser Geschichte. Sie bietet uns die größten Chancen, wissenschaftliche Entdeckungen, Wirtschaftswachstum und die Entwicklung in Richtung menschliches Wohlergehen zu beschleunigen. Wann immer Sie etwas über KI hören, sollten Sie dieses Potenzial im Hinterkopf behalten.

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Richtig ausgeschöpft werden kann dieses Potenzial der KI jedoch nur, wenn wir sie auf die richtige Art und Weise aufbauen. Der Preis im Falle von Fehlern ist immens. Noch hat niemand überzeugende Antworten darauf, wie wir diese Systeme eindämmen oder aufeinander abstimmen können. Wir befinden uns in einer seltsamen Situation: Auf der einen Seite haben wir die mächtigsten Technologien der Geschichte vor uns und auf der anderen sind wir nicht sicher, wie sie kontrolliert werden können und ob sie auch weiterhin von Nutzen sein werden.

Ich denke, wir sollten uns von dem ganzen Getöse nicht beirren lassen und es folgendermaßen betrachten: KI lässt sich wie jede andere Technologie anhand eines einfachen Tests beurteilen. Verbessert sie das Leben der Menschen? Dient sie eindeutig dem Wohl der Menschen?

Auf dem Weg in die nächste Phase der KI liegt die Antwort auf diese Fragen in der von mir so bezeichneten humanistischen Superintelligenz: einer hoch entwickelten KI, die kontrollierbar sowie auf die Bedürfnisse der Menschheit ausgerichtet bleibt und ihr uneingeschränkt dient. Bei diesem Projekt geht es ausdrücklich darum, eine entgrenzte, vollständig autonome Instanz um jeden Preis zu verhindern.

Vielmehr gilt es, sich auf bereichsspezifische Superintelligenz zu konzentrieren. Anstatt einfach ein System zu entwickeln, das sich endlos selbst verbessert und sich womöglich beliebig verselbstständigt, besteht das Kernziel darin, Milliarden Menschen praktische Vorteile in der realen Welt zu bieten. Das System muss für immer unmissverständlich der Menschheit untergeordnet bleiben. Das ist die Vision unseres Superintelligenz-Teams bei Microsoft, dessen Kernaufgabe darin besteht, die Sicherheit der Menschheit zu gewährleisten und ihr die Kontrolle zu sichern.

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Warum Humanismus? Weil die Geschichte die dauerhafte Kraft humanistischer Tradition zur Wahrung der Menschenwürde belegt. Eine in diesem Sinne entwickelte KI kann außerordentliche Vorteile bieten und gleichzeitig katastrophale Gefahren vermeiden. Wir brauchen eine Vision von KI, die die Menschheit unterstützt, Kreativität fördert und unsere sensible Umwelt schützt – und keine, die uns an den Rand drängt.

Der Gewinn für die Menschheit ist enorm: eine Welt mit rasanten Fortschritten in den Bereichen Lebensstandard und Wissenschaft sowie eine Zeit neuer Kunstformen, Kultur und Wachstum. Diese wahrhaft inspirierende Mission motiviert mich seit Jahrzehnten. Wir sollten die Technologie als den stärksten Motor des Fortschritts, den die Menschheit je gekannt hat, würdigen und vorantreiben. Deshalb brauchen wir viel, viel mehr davon.

Humanistische Superintelligenz bietet erhöhte Sicherheit auf dem Weg in die Zukunft. Die Fokussierung auf bereichsspezifische Pionierleistungen mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Auswirkungen ist ein Beispiel dafür. Man stelle sich KI-Begleiter vor, die unsere Mental Load im Alltag verringern, die Produktivität steigern und das Bildungswesen durch adaptives, individualisiertes Lernen verändern.

Medizinische Superintelligenz

Oder man denke an medizinische Superintelligenz, die präzise Diagnosen auf Expertenniveau zu erschwinglichen Kosten liefert und damit das globale Gesundheitswesen revolutionieren könnte – auf Grundlage von Fähigkeiten, für die unser Gesundheitsteam bei Microsoft AI bereits eine Vorschau erstellt hat. Und man stelle sich das Potenzial KI-getriebener Innovationen im Bereich sauberer Energie vor, die es ermöglichen, reichlich kostengünstigen Strom zu erzeugen, zu speichern und CO2 abzuscheiden. Auf diese Weise könnte die steigende Nachfrage gedeckt und gleichzeitig der Planet geschützt werden.

Mithilfe humanistischer Superintelligenz sind das keine spekulativen Träume mehr, sondern erreichbare Ziele, von denen Menschen auf der ganzen Welt profitieren können und die konkrete Verbesserungen im Alltag mit sich bringen.

Es ist wohl selbstverständlich, dass Menschen wichtiger sind als Technologie oder KI. Superintelligenz könnte die beste Erfindung aller Zeiten sein, allerdings nur, wenn sie sich an diese Maxime hält. Das heißt, Rechenschaftspflicht und Transparenz zu gewährleisten und bereit zu sein, Sicherheit zur obersten Priorität zu machen. Unser Ziel besteht nicht darin, um jeden Preis eine Superintelligenz zu entwickeln, sondern darin, einen vorsichtigen Weg in Richtung einer Superintelligenz zu beschreiten, die beherrschbar, werteorientiert und stets auf das Wohlergehen der Menschen ausgerichtet ist.

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Jeder Mensch muss sich selbst fragen: Welche Art von KI wollen wir eigentlich? Die Antwort darauf wird die Zukunft der Zivilisation prägen. Meine Antwort lautet: humanistische Superintelligenz.

Der Autor: Mustafa Suleyman ist CEO von Microsoft AI und Verfasser von „The Coming Wave – Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts“ (C.H. Beck, 2024). Zuvor war er Mitbegründer von Inflection AI und Deepmind.

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