Morning Briefing: Erkennt die deutsche Wirtschaft ein Flackern am Ende des Tunnels?
Liebe Leserinnen und Leser,
es scheint, als könne die deutsche Wirtschaft ein vorsichtiges Flackern am Ende des Tunnels erkennen. Viele deutsche Unternehmen erwarten für das kommende Jahr eine allmähliche Verbesserung der zuletzt schlechten wirtschaftlichen Lage. Ein Ende der Misere sei in Sicht, analysiert der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Michael Hüther. Die Stimmung helle sich auf – allerdings nur gemessen an den wirklich düsteren Prognosen der vergangenen Jahre.
Doch nicht in allen Branchen geht der Optimismus um. Vor allem in der deutschen Autoindustrie will so recht kein Hoffnungsschimmer aufkommen. Dort, aber auch in anderen Industriezweigen, haben viele Unternehmen wegen des chronischen Fachkräftemangels seit Jahren mehr Beschäftigte, als sie eigentlich bräuchten. Das geht auf Kosten der Effizienz.
Viel Lob, aber kein konkretes Ergebnis
Mal ist er der undankbare Gast, der keinen Anzug trägt. Mal ist er der Held, der für seine Tapferkeit und sein militärisches Können gefeiert wird. Wenn Wolodymyr Selenskyj nach Washington reist, weiß er nie, worauf er sich einstellen muss. Gestern begann der Besuch des ukrainischen Präsidenten bei seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump mit einem außergewöhnlichen Reigen an Lobhudelei. „Dieser Herr hat sehr hart gearbeitet und er ist sehr tapfer“, sagte Trump über Selenskyj. Man müsse einen Deal machen, der gut für die Ukraine sei – und gut für alle. Doch nach Ende des Treffens gab es zwar viel Lob von beiden Seiten, konkrete Ergebnisse allerdings konnten die Präsidenten nicht verkünden.
Eine Einigung zwischen der Ukraine und den USA wäre ohnehin nichts wert, solange Wladimir Putin etwas dagegen hat. Und obwohl Donald Trump Telefondiplomatie nach Moskau walten ließ, zeigte sich Putin zuletzt wenig friedliebend. In Tarnuniform schickte er im russischen Fernsehen eine klare Botschaft nach Kiew: Es werde keinen Frieden in der Ukraine geben, der nicht den russischen Vorstellungen entspricht.
Doch so stark, wie Russland sich gerne präsentiert, ist es nicht. Ukrainischen Truppen war es zuletzt gelungen, die Stadt Kupjansk zurückzuerobern – ein empfindlicher militärischer Rückschlag für Moskau. Zugleich verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation. So ist der Ölpreis in diesem Jahr um mehr als 20 Prozent gesunken – und damit auch die wichtigste Einnahmequelle des Kremls. Analysten erwarten, dass es Moskau im kommenden Jahr zunehmend schwerfallen wird, die finanziellen Ressourcen für den Abnutzungskampf in der Ukraine zu mobilisieren.
„Transnationale Strategie illiberaler Akteure“
Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, warnt im Interview mit meinem Berliner Kollegen Dietmar Neuerer vor einer international abgestimmten illiberalen Bewegung, in die er die AfD zunehmend eingebettet sieht. Die Netzwerke reichten von Moskau über das US-MAGA-Milieu bis zu autoritären Regierungen in Europa und globalen evangelikalen Gruppen. Kramer ist sich sicher: „Die Vernetzung der AfD ist nicht einfach Außenpolitik – sie ist Teil einer transnationalen Strategie illiberaler Akteure, die demokratische Systeme unter Druck setzen.“ Der Verfassungsschützer erkennt darin große Risiken für Deutschland.
Wenn sieben US-Unternehmen Europa schlagen
Der Weltfinanzmarkt hat ein gigantisches Klumpenrisiko. Der Klumpen besteht aus sieben Werten von sieben amerikanischen Unternehmen, die es zusammen auf einen gigantischen Börsenwert von 18,3 Billionen Euro schaffen. Dass die Technologiegiganten rund um Amazon, Meta und Microsoft viel Geld mit auf das Börsenparkett bringen, ist nicht neu. Doch das Ausmaß zeigt sich im Vergleich: Denn alle rund 7500 europäischen Konzerne sind zusammen mit 18,1 Billionen Euro nicht so viel wert wie Amerikas sieben größte Unternehmen.
Eine Nachricht, nach der man kurz einmal schlucken muss. Ein Grund für die amerikanische Dominanz liegt in der Verfügbarkeit von Wagniskapital, wodurch mehr Börsengänge und wertvolle Unternehmen entstehen. Wer sich den deutschen Leitindex Dax anschaut, entdeckt dort im Vergleich zu den amerikanischen Topwerten eigentlich nur Dinosaurier. Die Firma Systemanalyse und Programmentwicklung, die man unter dem Kürzel SAP kennt, gehört mit ihrer Gründung 1972 zu den jüngsten Unternehmen. Der Pharmakonzern Merck wurde zu einer Zeit ins Leben gerufen, als es noch kein elektrisches Licht gab.
Wenn Anlegerinnen und Anleger von solch dramatisch hoch bewerteten Papieren hören, bekommen sie ein mulmiges Gefühl. Steckt dahinter eine Blase? An Mahnungen vor einem Rückschlag oder sogar Crash fehlt es nicht. Microsoft-Gründer Bill Gates verglich den aktuellen Boom um Künstliche Intelligenz (KI) mit der Dotcom-Blase kurz vor der Jahrtausendwende. Wie die endete, ist in den Börsenannalen nachzulesen.
Doch Handelsblatt-Börsenexperte Ulf Sommer gibt zu bedenken, dass es einen großen fundamentalen Unterschied zwischen heute und damals gibt. Die Technologiefirmen kurz vor der Jahrtausendwende hätten nur geringe oder gar keine Gewinne bilanziert. Anleger orientierten sich an dem Potenzial für künftige Erträge. Heute dagegen zählen die großen Tech-Konzerne zu den gewinnträchtigsten Firmen weltweit. Das wichtige Kurs-Gewinn-Verhältnis deutet daher nicht auf eine dramatisch gefährliche Bewertungsblase hin.
Ohne Strom in Kalifornien
Wer dieses Briefing gelesen hat, könnte den Eindruck bekommen, die USA seien ein Eldorado des Fortschritts und Deutschland ein Land im Hinterwald. Zum Abschluss möchte ich dieses Bild noch ein wenig geraderücken. Ich weiß nicht, wie Sie die Weihnachtstage verbracht haben, aber ich hoffe sehr, dass Sie sich nicht mit schmelzender Eiscreme, rohen Weihnachtsbraten und feststeckenden Aufzügen herumschlagen mussten. Die Menschen in Kalifornien mussten dies erleben, da dort der Strom über Heiligabend teilweise ausfiel.
Wenn Sie sich also das nächste Mal über die marode deutsche Infrastruktur ärgern, erinnern Sie sich: Es könnte schlimmer sein. Sie könnten ein Programmierer im Silicon Valley sein, der bei Kerzenschein versucht, eine neue App zu erfinden.
Ich wünsche Ihnen einen energiegeladenen Tag.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt
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