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GastkommentarDeutschland liegt bei der Nutzung von KI weltweit vorn

Noch gibt es zwar kein deutsches Schwergewicht für Künstliche Intelligenz. Dennoch ist das Land gut positioniert, um bei der KI-Welle vorn mitzuspielen, meint ChatGPT-Chef Nick Turley. 22.05.2025 - 11:08 Uhr Artikel anhören
Nick Turley verantwortet als Head of ChatGPT bei OpenAI die Entwicklung des KI-Sprachmodells. Foto: Moment/ GettyImages

Eine Frage, die mir oft gestellt wird: „Was ist das größte Missverständnis über KI?“ In Deutschland antworte ich darauf immer gleich: Die Annahme, Deutschland hinke bei der Nutzung von KI hinterher. Das Gegenteil ist der Fall.

Tatsache ist, dass Deutschland bei Privatnutzern und in Büros weltweit zu den Spitzenreitern bei der KI-Adoption gehört. Unter den zahlenden Abonnenten von ChatGPT – ein direkter Indikator dafür, wie sehr Menschen unsere Technologie schätzen – liegt Deutschland global unter den Top drei.

Bei der geschäftlichen Nutzung liegt Deutschland weltweit unter den Top vier. Kein Land außerhalb der USA hat mehr Entwickler, die mit unseren Modellen arbeiten. Allein im April stieg die ChatGPT-Nutzung in Deutschland um 20 Prozent. Die Deutschen erkennen also das transformative Potenzial von KI und nutzen es bereits.

Die Nachfrage in Deutschland ist so groß, dass ChatGPT Mitte Mai ein erstes deutsches Büro in München eröffnet hat. Ich freue mich über diesen Erfolg auch ganz persönlich.

Die meisten großen Tech-Konzerne entstanden in Phasen des Umbruchs

Heute leite ich das ChatGPT-Team im Silicon Valley, doch geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland, habe dort mein Abitur gemacht und mit Unterstützung der Studienstiftung des deutschen Volkes in den USA studiert.

Ich denke oft darüber nach, eines Tages zurückzukehren – denn gerade an Lebensqualität hat Deutschland enorm viel zu bieten. Doch was mir manchmal fehlt, ist der Optimismus, Dinge einfach auszuprobieren, selbst wenn nicht jede Idee sofort gelingt. Genau das macht das Silicon Valley für mich besonders.

Der Beitrag ist Teil einer Serie zur TECH by Handelsblatt, die vom 25. – 27. Mai in Heilbronn stattfindet. Führende Köpfe aus Start-ups, Wagniskapitalbranche und Wissenschaft geben darin Impulse für die technologische Zukunft Europas. Foto: Handelsblatt

Skeptiker bemängeln, es fehle an „KI made in Germany“. Doch deutsche Entwickler und Unternehmen – von Start-ups wie Zalando bis hin zu etablierten Unternehmen wie der Deutschen Kreditbank – setzen KI schon heute breit ein. Forschende an Einrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft arbeiten mit unseren Reasoning-Modellen – KI-Systemen, die logische Schlussfolgerungen ziehen können.

Zugegeben, ein deutsches „KI-Schwergewicht“ gibt es noch nicht. Entscheidend ist jedoch die breite Nutzung. Zudem ist ja noch Zeit, um einen global führenden deutschen KI-Anbieter zu schaffen.

Die meisten der großen Technologieunternehmen der vergangenen Jahrzehnte entstanden in Phasen der technologischen Umbrüche: PC-Ära, Internet, Smartphone – und jetzt KI. Mit seiner Tradition in Forschung, Ingenieurskunst und Unternehmertum ist Deutschland gut positioniert, um in der KI-Welle vorn mitzuspielen.

Deutschland sollte sich nicht selbst im Weg stehen

Wichtige Weichen sind bereits gestellt. Die nationale KI-Strategie von 2018 und steigende Bundesmittel zeigen langfristigen Gestaltungswillen. Innovationsplattformen wie Merantix oder das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz bauen tragfähige Ökosysteme auf.

Doch Erfolg ist kein Selbstläufer. Um das Momentum zu halten, müssen Deutschland und Europa ein Umfeld schaffen, in dem KI-Innovation sich entfalten kann. Dazu gehören Investitionen in „KI-Infrastruktur“ – Daten, Talente, Rechenleistung, Energie und Venture-Capital.

Ebenso wichtig ist eine flächendeckende KI-Kompetenz in Wirtschaft und Bildung, Unterstützung lokaler Forschung sowie durchdachte Regulierungen, die klar und einfach gestaltet sind und die konkreten Chancen und Risiken von KI widerspiegeln.

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Das regulatorische Umfeld der EU ist heute oft noch zu komplex. Regulierung muss eine Balance finden: die Bürger schützen und den Unternehmen Planungssicherheit bieten, ohne Innovation auszubremsen oder Forschung ins Ausland zu treiben. Deutschland sollte deshalb Start-ups und Forschenden optimale Bedingungen bieten – und auf zusätzliche Maßnahmen, die über EU-Regeln hinausgehen, verzichten.

Im Gespräch mit deutschen ChatGPT-Nutzern stelle ich stets ihren Enthusiasmus für KI fest – eher Silicon-Valley-Spirit als typisch deutsche Vorsicht. Genau diesen Optimismus brauchen wir für den Erfolg mit KI: Mut zum Experimentieren, Freude am Ausprobieren, Lust aufs Neudenken.

Ob im privaten Alltag, in der Transformation der Arbeitswelt oder beim Gründen des nächsten großen Tech-Unternehmens: Deutschland hat bereits ein starkes Momentum, wie unter anderem unsere Daten deutlich zeigen.

Die Welt tritt in ein neues Zeitalter der Intelligenz ein. Und Deutschland hat die Chance, den Kurs maßgeblich mitzubestimmen. Stellen wir also sicher, dass wir uns nicht selbst im Weg stehen.

Verwandte Themen Deutschland ChatGPT USA Silicon Valley Europäische Union OpenAI

Der Autor: Nick Turley verantwortet als Head of ChatGPT bei OpenAI die Entwicklung des KI-Sprachmodells. 

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Erstpublikation: 21.05.2025, 08:43 Uhr.

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