Gastkommentar: Die höhere Inflation ist willkommen – und notwendig für die Transformation der deutschen Wirtschaft

Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität.
Berlin. Die Sorge über eine Stagflation, also hohe Inflation bei gleichzeitig schwachem Wachstum, macht die Runde in Deutschland. Unternehmen haben große Probleme, an Vorleistungen zu kommen, da globale Lieferketten durchbrochen sind und das zu massiven Engpässen führt. Einige Unternehmen müssen bereits ihre Produktion drosseln und Beschäftigte in Kurzarbeit schicken.
Hinzu kommt ein starker Preisanstieg bei Rohstoffen, vor allem Energie, der die Inflation in Deutschland im September im Vorjahresvergleich auf eine Rate von über vier Prozent getrieben hat. Die unterbrochenen Lieferketten sind das wohl größte Risiko für die wirtschaftliche Erholung. Die höhere Inflation dagegen ist es nicht, sie ist willkommen und notwendig für die Transformation der deutschen Wirtschaft.
Neben der Stagflation gewinnt die Diskussion um eine sogenannte „Grüne Inflation“ an Bedeutung. Vor allem die Preise für Energie schießen durch die Decke, sie sind zum Teil um 50 Prozent oder mehr gestiegen. Nicht wenige in Deutschland stricken daraus das Narrativ, der Klimaschutz sei für die steigenden Energiepreise verantwortlich. Er befeuere nicht nur die Inflation, sondern schade vor allem den einkommensschwächsten Menschen, denn diese geben einen besonders großen Teil ihres monatlichen Einkommens für Energie aus, argumentieren die Kritiker.





