Gastkommentar: Die Welt wird neu verteilt – und wir schwächen unsere Industrie weiter selbst

Matthias Zachert ist Vorstandsvorsitzender der Lanxess AG.
Düsseldorf. Deutschland ist ein Industrieland. Noch jedenfalls. Denn unsere starke industrielle Basis, ein Fundament des Wohlstands unseres Landes und ein Stützpfeiler der Wirtschaft in ganz Europa, ist bedroht. Eine Deindustrialisierung in Deutschland und Europa ist nicht länger nur ein Schreckgespenst, sondern eine sehr reale Gefahr – so groß sind die Herausforderungen in den zurückliegenden zwei Jahren geworden.
Die Coronakrise war bereits ein echter Härtetest für die Resilienz der Industrie. Sie hat diesen Test bestanden, aber noch nicht ganz verdaut. Nun steht die Industrie im perfekten Sturm. Er speist sich aus den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, aber auch aus hausgemachten Defiziten.
Mit Corona war die Anfälligkeit globaler Lieferketten bereits offenkundig geworden. Auch hatte sich schon angedeutet, dass die Interessen wichtiger Akteure der Weltwirtschaft auseinanderdriften. Durch den Krieg sind die Zweifel zur Gewissheit geworden, dass es kein Zurück mehr zum Status quo ante geben wird.
Russland hat sich als politischer und wirtschaftlicher Partner vollends diskreditiert, mit Blick auf China und sein Gebaren um Taiwan wächst das Unbehagen, hier könnte Ähnliches drohen. Derweil stottert der Welthandel, die Globalisierung stockt, Handelsströme verschieben sich. Logistikdienstleistungen sind zum Luxusgut, wichtige Vorprodukte in allen Bereichen zur Mangelware geworden. Die Inflation erreicht nicht nur hierzulande ungeahnte Höhen, und insbesondere die Energiemärkte sind völlig aus den Fugen geraten.





