Gastkommentar: Europa braucht Israel für die eigene Verteidigung
Sechzig Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel stehen wir vor einem Wendepunkt. Die sicherheitspolitische Lage seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel, Russlands imperialer Griff nach Osteuropa, die nukleare Eskalation des Irans und Chinas globale Ambitionen zwingen uns, schneller, entschlossener und strategischer zu handeln.
Das erwarten auch unsere Partner jenseits des Atlantiks. Wir müssen Partnerschaften mit denen vertiefen, die über die Fähigkeiten verfügen, die wir selbst nicht haben. Israel steht dabei an erster Stelle.
Die Europäische Kommission hat in ihrem aktuellen Weißbuch „European Defence – Readiness 2030“ selbst eingeräumt, wo unsere Schwächen liegen: Luftverteidigung, Drohnen, Cyberabwehr, kritische Infrastruktur, Munition, Mobilität, strategische Kommunikation.
Es sind keine akademischen Lücken, sondern tödliche. Wenn russische Marschflugkörper in Richtung Nato-Grenze fliegen oder iranische Drohnen auf Infrastruktur in Südosteuropa zielen, hilft keine strategische Autonomie auf dem Papier. Europas Politik war lange zu behäbig, die Industrie ist nicht ausreichend vorbereitet, der Start-up-Sektor unterfinanziert.
Es fehlt an Innovationskraft. Daher zählt jetzt, wer uns helfen kann – und zwar sofort. Die Antwort ist glasklar: nicht Paris, nicht Brüssel, nicht die deutsche Bürokratie. Wir brauchen Israel – mehr denn je.
Wir brauchen eine europäisch-israelische Sicherheitspartnerschaft
Israels Verteidigungsindustrie liefert, was Europa braucht: Raketenabwehrsysteme wie Arrow 3 oder Iron Dome, Drohnen wie Heron TP, präzise Artillerie wie Puls, digitale Aufklärung, offensive und defensive Cybertechnologie.
Diese Systeme funktionieren. Nicht in Laboren, sondern im aktiven Einsatz. Sie sind sofort verfügbar – nicht erst 2035.
Während Europa um jedes Projekt zunächst ein Konsortium gründet, liefert Israel – pragmatisch, schnell, verlässlich. Nato-Staaten wie Dänemark, Italien, Rumänien oder das Vereinigte Königreich haben das längst erkannt. Deutschland bei manchen Projekten ebenfalls.
So wird uns Arrow 3 zukünftig bei der Raketenabwehr helfen; die Eurofighter der Bundeswehr werden mit israelischen Litening-5-Zielsystemen sowie die deutschen A400M-Transportflugzeuge und Regierungsmaschinen mit dem J-Music-Laserabwehrsystem ausgerüstet – Technologie aus dem jüdischen Staat zum Schutz der Deutschen, 80 Jahre nach der Shoah.
Wir tun gut daran, daraus einen Technologiekorridor, eine strategische Achse der europäisch-israelischen Sicherheitspartnerschaft zu entwickeln.
Doch was macht die EU? Statt Israels Innovationskraft enger einzubinden, wird in Brüssel allen Ernstes darüber diskutiert, israelische Start-ups vom EIC Accelerator auszuschließen, einem Innovationsmotor Europas – aus politischer Empörung über den Gazakrieg.
Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht unserer israelischen Partner. Es wäre eine Selbstsabotage in gleich mehreren zentralen Bereichen, ob Cyber, Defensetech, Künstliche Intelligenz oder Space.
Technologiepartnerschaften, die Europa jetzt dringend braucht, würden ausgebremst. Das ist keine Moral – das ist Doppelmoral. Noch findet sich hierfür in Europa keine politische Mehrheit, auch weil die Bundesregierung konsequent dagegenhält.
Der Stopp deutscher Rüstungsexporte nach Israel ist schwer nachvollziehbar
Gleichzeitig hat Bundeskanzler Merz angekündigt, Rüstungsexporte nach Israel auszusetzen, sofern die gelieferten Güter im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Politisch ist das schwer nachvollziehbar, da offenkundig ohne Auswirkungen auf die Lage vor Ort.
Die Ankündigung sendet zudem inmitten gemeinsamer Bedrohungen durch das iranische Raketenprogramm und von Teheran unterstützte Terrornetzwerke ein gefährliches Signal: Israel wird geschwächt, wo wir es als Partner am dringendsten brauchen.
Deutschland muss hier Haltung zeigen und Verantwortung übernehmen. Nicht nur aus historischer Verpflichtung, sondern aus strategischem Eigeninteresse. Unter Freunden und Partnern redet man auch Tacheles und übt legitime Kritik, wo es eben angebracht ist.
Aber man wirft die Zusammenarbeit nicht einfach über Bord, nur weil der Wind rauer wird. Wir brauchen Israel – und Israel braucht Europa. Doch Partnerschaften gibt es nicht zum Nulltarif. Wer israelische Technologien für die eigene Sicherheit will, muss Israel auch selbst sicherheitspolitisch zur Seite stehen.
Europa will und soll unabhängiger von den USA werden. Dafür braucht es eigene Stärke. Und die entsteht nur durch Allianzen mit den Fähigen. Wer Souveränität fordert, muss sich entscheiden: Symbolpolitik oder Sicherheit.
Die Idee gemeinsamer Defense Tech-Hubs – deutsch-israelischer Entwicklungszentren für Zukunftstechnologien wie KI, Cyberabwehr oder Drohnen – liegt auf dem Tisch. Es wäre eine echte industriepolitische Innovation – eine praktische Idee, auch für den European Defence Fund. Doch solange Politik und Industrie hier nicht mutig und entschlossen handeln, bleibt alles Theorie.
Israel ist kein Partner von gestern, sondern unser Innovationsschlüssel für morgen. Wenn wir es ernst meinen mit Verteidigungsfähigkeit, Resilienz und Verantwortung, dann ist jetzt der Moment gekommen, aus Worten Taten zu machen. Gemeinsam mit Israel.
Der Autor: Carsten Ovens ist CEO des European Leadership Network (ELNET), einer europäisch-israelischen Netzwerkorganisation.