Gastkommentar: Für die Fusion von Unicredit und Commerzbank ist es zu früh

Das grüne Licht der Europäischen Zentralbank für den Einstieg der Unicredit bei der Commerzbank ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer der größten Bankenfusionen in Europa seit langer Zeit. Genau genommen wäre es die größte Bankenübernahme in Europa seit der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009.
Diese Fusion scheint auf den ersten Blick eine perfekte Reaktion auf die jetzige Lage zu sein: Die europäischen Finanzmärkte sind im Vergleich zu den USA klein und zersplittert, die europäischen Banken können ihre amerikanischen Wettbewerber häufig nur noch mit dem Fernglas erblicken. Die Politik hat daher wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass eine stärkere Integration der europäischen Kapitalmärkte zu begrüßen ist. Dazu gehört eine Konsolidierung unter den europäischen Banken, durch die Institute entstehen, die international wettbewerbsfähig sind und europäische Unternehmen global begleiten können.
Eine länderübergreifende Bankenfusion ist aber anders zu beurteilen als eine vergleichbare Fusion zum Beispiel von Industrieunternehmen in Italien und Deutschland. Bei diesen ist es gang und gäbe sowie sehr zu begrüßen, dass italienische Unternehmen deutsche Unternehmen – abgesehen von Fragen des Kartellrechts – ohne Restriktionen übernehmen können und andersherum. Solche Übernahmen sind schließlich Kernelement des Europäischen Binnenmarkts, und für die Fragen des Kartellrechts gibt es klare Grundlagen und Prozesse.
Das Problem des „Too-big-to-fail“ existiert weiter
Die globale Finanzkrise lehrt uns aber, dass Banken anders sind, da immer ihr systemisches Risiko mitgedacht werden muss. Strauchelnde Banken, und gerade die größeren und komplexeren unter ihnen, konnten damals nicht in die Pleite geschickt werden, weil ernste wirtschaftliche Konsequenzen für Einleger und Kreditnehmer drohten. Die bittere Konsequenz war, dass Steuerzahler massiv eintreten mussten, um noch größere Schäden abzuwenden.
Als Reaktion auf die Finanzkrise haben Politik und Regulierer umfassende Maßnahmen ergriffen, um derartige Schäden für die Steuerzahler nach Möglichkeit zukünftig zu verhindern, aber zumindest zu verringern. Die wichtigsten Maßnahmen in Europa bündeln sich im Projekt der Bankenunion, das aber auch mehr als 15 Jahre nach der Finanzkrise nicht vollendet ist.
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Von ihren geplanten drei Säulen sind mit der einheitlichen Aufsicht und der einheitlichen Abwicklung die ersten beiden zumindest auf dem Papier funktionsfähig. Allerdings ist unklar, ob diese mühsam errichtete Architektur tatsächlich dem Sturm einer möglichen Bankenkrise standhalten würde, gerade bei einer sehr schnellen Notwendigkeit zur Rettung und bei einer durch eine Fusion nochmals größer gewordenen Bank.
Unklar wäre in diesem Fall auch, ob die vorhandenen Rettungstöpfe groß genug wären, um gerade eine große Bank stützen zu können. Das daraus entstehende „Too big to fail“-Problem ist allzu virulent.
Der EU fehlt eine gemeinsame Einlagensicherung
Hinzu kommt, dass bei der dritten Säule der Bankenunion bisher noch kein Fortschritt erzielt worden ist: Es gibt bisher kein europäisches Einlagensicherungssystem. Vielmehr sind die Einlagen über die nationalen Systeme auf der Ebene der Mitgliedstaaten abgesichert, aber nicht im europäischen Verbund.
Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass gerade Deutschland und Italien keine Vorreiter bei der Vollendung der Bankenunion in Europa sind: Deutschland wegen der Skepsis gegenüber einer gemeinsamen Einlagensicherung. Italien wendet sich gegen den Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, der nach dessen Reform eine größere Rolle bei der Rettung von Banken spielt, als auch gegen verschärfte Eigenkapitalanforderungen für Investitionen in Staatsanleihen, die die Stabilität der Bankenunion erhöhen würden.
Jetzt kann man einwenden, dass Unicredit hochprofitabel ist und selbst bei einer Übernahme keine unmittelbaren Risiken drohen. Die Finanzkrise lehrt aber auch, dass solche Fragen zumindest immer mitgedacht werden müssen.
Der Ökonom Martin Hellwig hat besonders pointiert darauf hingewiesen: Wenn alle Sicherungsmaßnahmen und Puffer am Ende nicht greifen sollten und Steuerzahler wieder die Zeche zahlen müssten, wer stünde dann in der Verantwortung: Italien oder Deutschland? Solange diese Frage nicht geklärt ist, sollte eine grenzüberschreitende Bankenfusion dieser Größenordnung nicht voranschreiten.
Diese ungeklärte Frage sollte aber gleichzeitig Ansporn für die europäische Politik und insbesondere Deutschland und Italien sein, die Bankenunion weiter voranzutreiben und zu vollenden. Dann werden Bankenfusionen über europäische Grenzen hinweg leichter umsetzbar sein – und Europa kann seinem wünschenswerten Ziel eines stärkeren Binnenmarkts einen großen Schritt näherkommen.






Der Autor: Jörg Rocholl ist Präsident der European School of Management and Technology Berlin.
Mehr: Erlaubnis von der EZB: Unicredit darf Anteil an der Commerzbank aufstocken
Erstpublikation: 18.03.2025, 10:54 Uhr.





