1. Startseite
  2. Meinung
  3. Gastbeiträge
  4. Gerade Mittelständler und Familienbetriebe müssen ihre Aufsichtsräte professioneller besetzen

GastkommentarGerade Familienunternehmen müssen ihre Aufsichtsräte professioneller besetzen

Der Aufsichtsrat ist das mächtigste Gremium im Unternehmen. Mitglieder werden aber oft nach Beziehungen statt Qualifikation ausgewählt, kritisiert Constanze Buchheim. 17.07.2023 - 11:30 Uhr Artikel anhören

Constanze Buchheim ist Managing-Partnerin der Personalberatung i-potentials.

Foto: mauritius images / Westend61, Privat

Aufsichtsräte sind mit die wichtigsten Weichensteller, wenn es um die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens geht. Um ihrer Funktion gerecht zu werden, müssen sie aber exzellent besetzt sein – und das Unternehmen bereit für unbequeme Ratgeber.

Heute liegt der Kernauftrag eines Unternehmens darin, Zukunftsfähigkeit in einem sich stetig schnell ändernden Umfeld zu sichern. Das macht intern deutlich mehr strategische Weitsicht, Anpassungsgeschwindigkeit und Fokus auf Fortschritt notwendig.

Vor allem aber beeinflusst eine Orientierung an Langfristigkeit und Fortschritt auch die Anforderungen an Aufsichtsräte und deren Verantwortung. Sie sind nicht mehr nur als reine Kontrollinstanz gefragt, sondern auch als kritisches Gremium zur Strategiegestaltung.

Denn permanente Veränderungen erfordern permanentes Herausfordern, Hinterfragen und Neudenken, gerade aus der Außenperspektive. Diese Verschiebung macht eine exzellente und teils auch unbequeme Besetzung des Aufsichtsrats zum Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit.

Zum einen braucht es deshalb Aufsichtsräte, die fachlich einschätzen können, wie sich Markt und Umwelt entwickeln werden. Zum anderen braucht es Menschen, die einen zum Unternehmen passenden, aber konfliktfähigen und ergebnisorientierten Führungsstil und die richtige Haltung mitbringen statt enger Beziehungen zu anderen Aufsichtsräten. Es braucht Kontrolleure, die nicht aus Eigeninteresse und aufgrund von Status handeln, sondern die Rolle im Interesse der Organisation und ihres gesellschaftlichen Beitrags ausfüllen.

Das größte Problem ist die Auswahl der Aufsichtsräte nach Beziehungen

Analog zum Individuum versuchen aber auch Organisationen, sich Komfortzonen zu schaffen: Man wählt für den Aufsichtsrat Menschen, die zwar viel Erfahrung aus Großorganisationen einbringen, denen aber unternehmerische Erfahrung fehlt und die deshalb kaum die Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen einschätzen können.

>> Lesen Sie hier: Das sind Deutschlands mächtigste Aufsichtsräte

Wenn es sich vermeiden lässt, werden Arbeitnehmervertreter nicht im Kontrollgremium inkludiert. Das alles führt dazu, dass interne und externe Perspektiven nicht ausgetauscht und angeglichen werden.

Das bei Weitem größte Problem schaffen aber beziehungsorientierte Entscheidungen: Aufsichtsratsposten werden immer noch häufig aus dem eigenen, bestehenden Netzwerk oder nach Empfehlungen besetzt – die Gefahr, einen unbequemen Kontrolleur oder eine unbequeme Kontrolleurin ins Boot zu holen, ist so deutlich geringer.

Dadurch riskieren Unternehmen jedoch Einbußen oder gar Stillstand in der strategischen Ausrichtung. Schließlich bedeuten die persönlichen Verflechtungen nichts anderes, als dass Kritik, Hinterfragen und Kontrolle unter den Tisch fallen aus Sorge, damit die Beziehung zu belasten.

Buddy-Netzwerke aber zu Abhängigkeiten, Einseitigkeit und im schlimmsten Fall mangelnder Leistung des Aufsichtsrats.

Nach dem Motto „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ reproduzieren sich Gremien bei der Rollenverteilung und Nachbesetzung, häufig auch unbewusst, selbst. Gerade aus diesem Grund braucht es in den meisten Unternehmen Quotenregelungen, um Frauen überhaupt in den Aufsichtsrat zu bringen.

Ganz abgesehen von der Geschlechterdiversität führen Buddy-Netzwerke aber zu Abhängigkeiten, Einseitigkeit und im schlimmsten Fall mangelnder Leistung des Aufsichtsrats.

Am Ende haben wir es hier mit einem starken Missverhältnis zwischen der Verantwortung der Position und der Besetzungsqualität zu tun. Obwohl der Aufsichtsrat das mächtigste Gremium eines Unternehmens ist, sind die Besetzungskriterien hier aktuell am wenigsten klar.

Für die Besetzung des Kontrollgremiums sollte es ein klares Anforderungsprofil geben

Damit verbaut sich die Unternehmensführung eine entscheidende Ressource für die Zukunftsfähigkeit der Organisation – und sollte die Zeit vielleicht lieber gleich anders investieren als in den Aufbau des Gremiums. Wer als Vorstand nicht wirklich effizient kontrolliert werden will, auf Prominenz und Beziehung statt konkreter Beratung und Fachkenntnisse setzt, schadet seinem Unternehmen.

Fortschritt, Weiterentwicklung und Erfolg entstehen nicht in der Komfortzone.

Selbst wenn es möglich ist, die Positionen aus Netzwerken zu besetzen, gilt es deshalb, in ein sauberes Anforderungsprofil und eine strukturierte Suche außerhalb des eigenen Kontaktbuchs zu investieren. Bei den großen und sehr innovativen Unternehmen lässt sich der Trend dahin bereits beobachten.

Doch gerade in der Breite der deutschen Wirtschaft, bei Mittelständlern und Familienunternehmen, gibt es Aufholbedarf. So holen laut einer PwC-Studie im Jahr 2021 nur die Hälfte (49 Prozent) der Familienunternehmen transformations- oder digitalisierungserfahrene Experten in ihre Beiräte.

Auch 2022 hatten nur drei der 100 größten Familienunternehmen Deutschlands eine Aufsichtsratsvorsitzende. Diese Zahlen lassen erahnen, wie schlecht es um die Perspektivenvielfalt in diesen Gremien bestellt ist.

Verwandte Themen Aufsichtsräte Deutschland

Doch Fortschritt, Weiterentwicklung und Erfolg entstehen nicht in der Komfortzone. Sie beginnen zu wachsen, wenn wir uns aus ihr hinausbewegen – und das fängt beim Aufsichtsrat an.

Die Autorin:
Constanze Buchheim ist Managing-Partnerin der Personalberatung i-potentials.

Mehr: Dax-Konzern Vonovia steht vor Revolution im Aufsichtsrat

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt