Gastkommentar: Höchste Zeit für eine politische Wende

Professor Clemens Fuest leitet das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München und lehrt an der dortigen Ludwig-Maximilians-Universität.
Unabhängig davon, welche Koalition es am Ende sein wird: Deutschland braucht eine Regierung, die in der Lage ist, große ökonomische und politische Herausforderungen zu bewältigen – Herausforderungen, die im Wahlkampf nur zum Teil eine Rolle spielten: die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise, der demografische Wandel, Klimakrise, Digitalisierung, europäische Integration und geopolitische Veränderungen. Das alles erfordert entschlossenes Handeln und Veränderungsbereitschaft.
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der neuen Regierung muss die noch fragile Konjunkturerholung nach der Coronakrise schützen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern. Wachstum zu erreichen wird deutlich schwerer als in den Jahren vor der Pandemie, weil mit der Alterung der Bevölkerung die Zahl der Menschen im Erwerbsalter sinkt.
Es ist deshalb erforderlich, Beschäftigungshindernisse im Steuer- und Transfersystem abzubauen. Besonders wichtig ist das für Menschen, die nicht viel verdienen. Denn bei ihnen sorgt das ungünstige Zusammenspiel von Hartz-IV-Regeln und anderen Transfers dafür, dass sich Arbeiten über eine Teilzeitstelle hinaus oft nicht lohnt.
Eine Umstellung der Ehegattenbesteuerung auf Realsplitting und ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuung würden vor allem die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöhen. Wachstum hängt außerdem von öffentlichen und insbesondere privaten Investitionen ab. In der Unternehmensbesteuerung könnten beschleunigte Abschreibungen und bessere Verlustverrechnungen Anreize setzen, in Deutschland neue Produktionsstätten aufzubauen und innovative Unternehmen zu gründen.





