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GastkommentarIm Spannungsfeld zwischen New Work und Wachstumskrise

Die Debatte über eine Vier-Tage-Woche mutet in einer Zeit langfristiger Wachstumsschwäche befremdlich an. Auch die Generationen-Debatte ist fehlgeleitet, meint Christina Bösenberg. 27.08.2023 - 15:54 Uhr
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Christina Bösenberg ist Geschäftsführerin von BCG BrightHouse, Wirtschaftspsychologin und Expertin für Transformation.

Foto: Getty Images

Unsere Arbeitswelt scheint bedenklich aus dem Gleichgewicht geraten. Auf der einen Seite stehen New-Work-Arbeitsrealitäten, Skepsis gegenüber Performance und die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche. Auf der anderen Seite der wachsende Fachkräftemangel, multipolare globale Machtgefüge, Märkte und Wettbewerber und die immer drängenderen Auswirkungen der Klimakrise.

Die laufenden Debatten über eine Vier-Tage-Woche – selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich – muten gerade in einer Zeit von stagnierendem Wachstum und drohender Rezession seltsam an. Arbeitnehmermarkt hin oder her, um in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir unsere Produktivität und Geschwindigkeit hochfahren.

Das macht eine leistungsorientierte Perspektive unerlässlich, die effizienteres, intelligenteres Arbeiten natürlich beinhalten sollte, nicht nur mehr Zeit-Investition. Das Thema polarisiert - gerade in der Diskussion rund um die Bedürfnisse und Ansprüche der Generationen, vorzugsweise der GenZ.

Anders als derzeit viel behauptet, zeigen alle Meta-Studien fast keine Unterschiede in der Einstellung zur Arbeit der verschiedenen Generationen. Die gesellschaftlichen und globalen Veränderungen wirken sich auf alle Generationen aus.

Unter den Jüngeren sind einige sehr ehrgeizig und arbeitsmotiviert, andere sind es weniger – genau wie bei den Älteren. Die Arbeitswelt ist komplexer, automatisierter und damit anstrengender geworden, und die demografische Entwicklung führt dazu, dass qualifizierte Fachkräfte mehr einfordern können. Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung – keine Generationenfrage.

Die Generationen-Debatte ist ein Nebenkriegsschauplatz

Alarmierend ist die aktuelle Tendenz, Einsatz und Engagement weiter reduzieren zu wollen, dennoch. Die Arbeitszeit in Deutschland liegt 30 Prozent unter der der USA und 70 Prozent unter der von China. In keinem anderen Industrieland arbeiten die Menschen so wenig wie in Deutschland.

Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft werden uns im Jahr 2023 rund 4,2 Milliarden Arbeitsstunden fehlen. Das Problem der fehlenden Arbeitskräfte und -stunden können wir realistisch auf drei Arten lösen: mit gesteuerter Migration, also viel mehr qualifizierten Fachkräften, sowie mit erhöhter Produktivität durch Digitalisierung und KI bzw. durch effizienteres Arbeiten.

Der dritte Hebel sind die derzeit Arbeitenden. Hier brauchen wir eine neue Lust auf Leistung und Gestaltung – generationsunabhängig. Da spielen Führungsthemen und Arbeitssysteme eine Rolle, aber auch ein Perspektivwechsel weg vom Vier-Tage-Trend: Arbeitszeit ist Lebenszeit, und die gilt es, gut und mit Freude zu gestalten.

Ungefähr ein Drittel unserer gesamten Lebenszeit verbringen wir bei der Arbeit. Da wäre es doch zum Vorteil von allen, wenn wir uns aktiv einbringen und Verantwortung übernehmen.

Arbeitszeit sollte keine Zeit sein, die wir versuchen, zu ertragen, zu vermeiden oder zu verkürzen. Wie kommen wir aber zu einem Haltungswechsel und damit zu mehr Produktivität?

Macht das Sinn, oder kann das weg?

Wirklich neu – und deshalb beachtenswert für Arbeitgeber – ist der Trend, dass Arbeit ein zentraler Bestandteil individueller Wertesysteme geworden ist. Das hat unter anderem massiven Einfluss auf die Wahl des Arbeitgebers.
Klimawandel, Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung: Viele Menschen möchten heute für Unternehmen arbeiten, die nicht nur ihre Werte widerspiegeln, sondern diese auch aktiv vorleben.

Wertekonformität ist schon lange nicht mehr „nice to have“, sondern entscheidend für den Geschäftserfolg – Recruiting und Konsumentenverhalten sind dabei nur Beispiele. Studien zufolge machen Organisationen mit gut integriertem Purpose 14 Prozent mehr Umsatz, bieten 35 Prozent mehr Rendite. Der lange belächelte Purpose, also der Mehrwert für das Ganze, spielt eine immer größere Rolle und ist ein Hebel für mehr Produktivität – hier ist viel Luft nach oben.

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Lösungsorientiert müssen wir also vieles übereinanderbringen: die Bedarfe der Unternehmen im globalen Wettbewerb, die der Generationen, schrumpfende Wirtschaftskraft und eine abwandernde Industrie. Es ist richtig, den Status quo infrage zu stellen – das tun seit jeher die Jüngeren – und unsere Arbeitswelt den gesellschaftlichen Realitäten anzupassen.

Und hier braucht es gerade Performance, Leistung und Innovation – in Balance mit guter Führung, flexiblen Arbeitszeiten und -orten sowie Diversität.
Die Autorin:
Christina Bösenberg ist Geschäftsführerin von BCG BrightHouse, Wirtschaftspsychologin und Expertin für Transformation.

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