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GastkommentarKosmetische Korrekturen reichen nicht beim EU-Bürokratieabbau

Der Vorschlag der EU-Kommission, Berichtspflichten zu reduzieren, ist wichtig für Unternehmen. Aber das reicht noch nicht aus, meinen Rainer Kirchdörfer und Andreas Schwab. 17.03.2025 - 12:26 Uhr Artikel anhören
Rainer Kirchdörfer (l.) ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Andreas Schwab (EVP) ist Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Foto: obs, Stiftung Familienunternehmen/M, Privat

Die Europäische Union ist ein wichtiges Projekt. Sie ist die wirkungsvollste politische Initiative der jüngeren Geschichte und der größte Binnenmarkt der Welt. Und ihr historischer Kern ist die gemeinsame Förderung von Wohlstand und Sicherheit. Noch im Vertrag von Lissabon wurde das Ziel vereinbart, Europa zum wettbewerbsfähigsten Kontinent der Welt zu entwickeln.

Die politische Realität der vergangenen Jahre war in weiten Teilen allerdings eine andere. Zwar hat die EU in der Coronapandemie oder im Ukrainekonflikt gemeinsam viel erreicht. Doch auf wirtschaftlichem Gebiet sind wir zurückgefallen. Brüssel nahmen viele Menschen als den Ort wahr, an welchem vor allem die „Krümmung der Banane“ geregelt wird. Rund 13.000 neue Gesetze vor allem aus dem Bereich „Green Deal“ belegen, dass die EU es mit der Rechtssetzung als „Mittel der Integration“ übertrieben hat.

Natürlich sind die Förderung der Nachhaltigkeit und der Klimawandel wichtige politische Anliegen. Doch für die Bewältigung dieser Aufgaben benötigen wir Innovation und Technologieoffenheit statt immer neuer Berichtspflichten.

Viele Informationen lassen sich gar nicht beschaffen

In den vergangenen Jahren sind exzessive Bürokratiebelastungen entstanden. Ein skurriles Beispiel ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung. In großen Familienunternehmen sind drei Vollzeitstellen nötig, um die etwa 1150 Datenpunkte – verteilt über etwa 240 Seiten – zu bearbeiten. Und das für ein einziges Gesetz! Die Kommission ging ursprünglich davon aus, dass eine neue Stelle reichen würde.

Viele Informationen lassen sich aber gar nicht beschaffen. Beim Zugriff auf verschiedene Datenbanken finden sich teils beliebig wirkende Informationen etwa zum CO2-Fußabdruck von Lieferungen aus Drittstaaten. Viele Daten werden doppelt und dreifach abgefragt.

Unternehmen drohen zu Verwaltungsstellen mit angehängtem Geschäftsbetrieb degradiert zu werden. Auch als Ergebnis überbordender Bürokratie fließen mittlerweile jährlich rund 300 Milliarden Euro an Investitionskapital aus Europa ab.

Kommentar

Der wirkungslose Bürokratieabbau der EU

Carsten Volkery

Doch jetzt gibt es endlich konkrete Maßnahmen. Mit dem Ziel, die europäische Wirtschaft in den kommenden Jahren um rund 37 Milliarden Euro zu entlasten, hat die Europäische Kommission am 26. Februar erste Gesetzesvorschläge präsentiert.

Darin sind nicht nur zeitliche Verschiebungen, sondern auch wichtige Vereinfachungen vorgesehen. Die Lieferkettenrichtlinie soll so geändert werden, dass Unternehmen künftig in der Regel nur noch direkte Lieferanten überprüfen müssen, nicht mehr die gesamte Lieferkette. Außerdem sollen Haftungsvorgaben auf EU-Ebene entfallen. Das wären echte Fortschritte.

Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung schlägt die Kommission eine zeitliche Verschiebung vor, um die Berichtsstandards zu entschlacken und zu vereinheitlichen. Branchenspezifische Standards sollen komplett entfallen. Hierin liegt echtes Entlastungspotenzial.

Das Lieferkettengesetz sollte besser ganz entfallen

Doch das reicht nicht: Die Belastungen durch EU-Recht waren in den letzten Jahren so immens, dass es gerade aus Sicht der Familienunternehmen erforderlich ist, auf überflüssige Gesetze wie das EU-Lieferkettengesetz ganz zu verzichten. Und bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte die Kommissionsankündigung substanzieller Vereinfachungen auch wirklich umgesetzt werden. Das bedeutet nicht, dass die Kernanliegen infrage gestellt würden. Aber wir brauchen einen spürbaren Befreiungsschlag.

Richtig ist: Von den Gesetzesinitiativen geht eine Symbolwirkung aus. Aber sie dürfen nicht auf halber Strecke stehen bleiben - zu groß ist der globale Wettbewerbsdruck. Im weiteren Gesetzgebungsprozess müssen Verwässerungen der Kommissionsvorschläge auf jeden Fall verhindert werden.

Außerdem sollte sichergestellt sein, dass alle Unternehmen, ob groß oder klein, von Bürokratie befreit werden. Ansonsten wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen nicht wesentlich verbessert.

Der globale Freihandel ist akut bedroht, Deutschland steckt seit Jahren in einer Rezession, und viele EU-Länder wachsen wirtschaftlich nur langsam. Wenn wir mit anderen Wirtschaftsmächten auf Augenhöhe verhandeln wollen, gelingt dies nur mit neuem Wachstum und wirtschaftlicher Stärke.

Es ist also oberstes Gebot, dass die Europäische Union wieder auf ihre originären Ziele blickt und ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zur politischen Priorität erhebt. Dazu sollte die EU-Kommission zügig weitere Erleichterungsvorschläge präsentieren.

Doch vor allem ist nun das Europäische Parlament gefragt, in den kommenden Gesetzesberatungen die Belange der Unternehmen und ihrer Beschäftigten zügig umzusetzen. Nur so holen wir auf. Kosmetische Korrekturen reichen nicht.

Verwandte Themen Europäische Union EU-Kommission Europa Lieferkettengesetz

Die Autoren:
Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik.
Andreas Schwab (EVP) ist Abgeordneter des Europäischen Parlaments.

Mehr: Vier Maßnahmen gegen die Bürokratie – diese Dinge ändert Brüssel jetzt

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