Gastkommentar: Läutet Trump wirklich das Ende der Globalisierung ein?

Die Globalisierung ist schon seit einiger Zeit auf dem Rückzug. Doch wie eine neue Studie zeigt, die wir an der Technischen Universität München durchgeführt haben, begann dieser Prozess viel früher, als vielen bewusst ist.
Absoluter Wendepunkt war die globale Finanzkrise von 2008. Von 1990 bis zu diesem Jahr erlebte die Welt die Phase der sogenannten Hyperglobalisierung: Der Anteil des Handels am Bruttoinlandsprodukt stieg im Durchschnitt um mehr als einen Prozentpunkt pro Jahr.
Allein von 2000 bis 2007 verdreifachte sich der Anteil der Produkte von Zulieferern fast, die die hochentwickelten Volkswirtschaften aus Entwicklungsländern bezogen. Nach der globalen Finanzkrise kam diese Expansion abrupt zum Stillstand und stagniert bis heute.
Die Erklärung für diese Veränderung ist relativ einfach: Die globale Finanzkrise war der erste große Schock – und weitere sollten folgen. Im Jahr 2012 sah sich die Euro-Zone mit einer Staatsschuldenkrise konfrontiert. 2016 stimmte das Vereinigte Königreich für den Austritt aus der Europäischen Union. Und 2018 startete Donald Trump in seiner ersten Amtszeit eine Zollkampagne gegen wichtige Handelspartner der USA, insbesondere China.
2020 folgte die Corona-Pandemie. Auch 2022 kam es zu keiner Beruhigung: Russland begann seine groß angelegte Invasion in der Ukraine; der Angriffskrieg geht bis heute. Ende 2024 wurde Trump – der selbsternannte „Mann der Zölle“ – für eine zweite Amtszeit gewählt.
Unsicherheit verteuert globale Wertschöpfungsketten
Wenn die Unsicherheit im Handel groß ist, steigt auch das Risiko – und das macht globale Wertschöpfungsketten kostspielig. Wenn Unternehmen etwa fürchten, dass neue Zölle die Einfuhr wichtiger Zuliefererprodukte verteuern könnten oder dass neue Handelsschranken oder andere Störungen verhindern könnten, dass diese Artikel überhaupt bei ihnen ankommen, werden sie sich fragen, ob es noch sinnvoll ist, sie von ausländischen Lieferanten zu kaufen.
Unternehmen könnten erwägen, die Produktion nach Hause zurückzuholen (Reshoring): entweder, indem sie sich stärker auf inländische Zulieferer stützen, oder indem sie die Produktion ins eigene Unternehmen verlagern (vertikale Integration).
Unsere Studie kommt zu dem Schluss, dass eine höhere Unsicherheit in den Entwicklungsländern zu einem deutlichen Anstieg des Anteils der in den einkommensstarken Ländern produzierten Vorleistungen führt – allerdings nur in stark robotisierten Branchen wie der Auto-, Gummi-, Plastik- sowie Metallwarenindustrie.
In Branchen hingegen, in denen die Automatisierung weniger praktikabel ist, wie bei der Herstellung von Papierprodukten, Chemie und Petroleum, scheinen die Kosten für lokale Arbeitskräfte für viele Unternehmen unerschwinglich zu sein.
Die Globalisierung wird nie wieder dieselbe sein
Holen Firmen die Produktion ins Inland zurück, setzen sie bevorzugt darauf, diese bei sich zu integrieren statt auf fremde Zulieferer zu setzen. Dies hat zwei Hauptgründe: Einerseits können sie auf diese Weise so viel Kontrolle wie möglich über ihre Wertschöpfungsketten ausüben und andererseits Kosten sparen. Denn der Aufbau von Beziehungen zu externen Lieferanten ist in der Regel mit Investitionen verbunden, einschließlich der Bereitstellung von Wissen und Technologie.
Insbesondere kleine und mittelständische Firmen wählen diesen Weg besonders häufig, da sie im Gegensatz zu Großkonzernen in der Regel nicht über jene ausgedehnten multinationalen Netzwerke verfügen, die die Suche nach neuen Lieferanten erleichtern.
Während Unternehmen in einkommensstarken Ländern schon vor der globalen Finanzkrise in gewissem Umfang Reshoring betrieben haben, hat sich dieser Trend nach 2008 insgesamt weltweit mehr als verdreifacht. Das nach der Finanzkrise mehr als ein Jahrzehnt lang bestehende Niedrigzinsumfeld dürfte zudem zu dieser Verlagerung beigetragen und Investitionen in Roboter attraktiver gemacht haben.
Natürlich ist Reshoring nicht die einzig mögliche Reaktion auf Unsicherheit. Unternehmen, die mit geopolitischen, klimatischen oder handelspolitischen Risiken konfrontiert sind, können die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten erhöhen, indem sie ihre Zulieferer auf verschiedene Standorte verteilen und so die Auswirkungen von Störungen an einem oder mehreren Standorten begrenzen.
Anzeichen, dass sich dieser Trend durchsetzen könnte, gibt es in der Studie aufgrund der erwähnten Schwierigkeiten bei der Lieferantensuche jedoch nicht.
Trumps Zickzack-Kurs bei Zöllen und in der Handelspolitik werden die Unsicherheit weiter steigern, sodass mit weiteren Rückverlagerungen der Produktion nach Deutschland und in andere reiche Industrieländer zu rechnen ist. Damit wird die Globalisierung zwar nicht sterben, aber sie wird nie mehr dieselbe sein.


Die Autorin: Dalia Marin ist Professorin für internationale Wirtschaft an der TUM School of Management der Technischen Universität München und Senior Research Fellow bei der europäischen Denkfabrik Bruegel.










