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KommentarEuropa muss am Tisch sitzen, sonst steht es auf der Speisekarte

In der kommenden Woche entscheiden die Staatschefs in Brüssel darüber, ob das russische Zentralbankvermögen für die Ukraine – und indirekt auch für die europäische Wirtschaft – eingesetzt wird.Jakob Hanke Vela 12.12.2025 - 17:17 Uhr
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Müssen über das russische Zentralbankvermögen entscheiden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Polens Regierungschef Donald Tusk und Kanzler Friedrich Merz. Foto: AFP

Die EU steht vor einer historischen Entscheidung: In der kommenden Woche entscheiden die Staatschefs in Brüssel darüber, ob das russische Zentralbankvermögen für die Ukraine – und indirekt auch für die europäische Wirtschaft – eingesetzt wird.

Die Entscheidung ist historisch, weil Wladimir Putin und Donald Trump davorstehen, sich Europa aufzuteilen. Der Einsatz der russischen Gelder ist die einzige Karte, die Europa noch spielen kann, um einen Platz am Verhandlungstisch zu bekommen.

Die Lage ist klarer als vor wenigen Monaten. Die USA unterstützen die Ukraine nicht länger, sie drängen Präsident Selenskyj, Staatsgebiet an Russland abzutreten. Trump und Putin verhandeln über eine Aufteilung der Arktis, über den Zugriff auf europäische Rohstoffe und sogar über mögliche Reparationszahlungen Europas an einen russisch-amerikanischen Fonds.

Ein bekanntes amerikanisches Sprichwort bringt das Problem treffend auf den Punkt: „Wer nicht mit am Tisch sitzt, steht auf der Speisekarte.“

Bundeskanzler Friedrich Merz hat deshalb recht, wenn er betont, Europa dürfe nicht anderen Mächten die Entscheidung über seine Zukunft überlassen. Am Donnerstag haben die EU-Regierungen einen ersten Schritt getan: Sie haben die russischen Zentralbankgelder dauerhaft eingefroren. Damit hat die EU ein Signal an Wladimir Putin, aber auch an Donald Trump gesendet.

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Über das in Europa lagernde Vermögen entscheidet Europa. Hinzu kommt: Bisher musste die EU das Einfrieren der Gelder alle sechs Monate verlängern. Viktor Orbán drohte regelmäßig damit, diese Verlängerung zu blockieren. Mit der neuen Rechtsgrundlage hat die EU den Störfaktor Orbán abgeschaltet.

Doch der eigentliche Test kommt erst noch: Beim Gipfel am kommenden Donnerstag müssen die Staats- und Regierungschefs entscheiden, ob dieses Geld auch genutzt wird, um einen Kredit für die Ukraine zu finanzieren. Die Entscheidung ist alles andere als sicher. Ratspräsident António Costa hat vorsorglich angekündigt, die Staatschefs so lange tagen zu lassen, bis ein Ergebnis steht.

Fatale Situation für die Ukraine

Er weiß, was auf dem Spiel steht. Ohne europäische Finanzierung wird Kyjiw in eine fatale Verhandlungssituation gedrängt. Die europäische Sicherheitsordnung wäre dann nicht Ergebnis europäischer Politik – sondern das Resultat eines Kompromisses zwischen Washington und Moskau.

Bart de Wever (2.v.r.) spricht mit EU-Staatschefs: Belgien blockiert. Foto: AP

Vor diesem Hintergrund wirkt die Debatte über juristische und finanzielle Risiken der Vermögensnutzung zunehmend wie ein Nebenschauplatz. Belgiens Premier Bart De Wever hat lange auf Haftungsfragen verwiesen, weil der belgische Dienstleister Euroclear den Großteil der Gelder verwahrt und mögliche Klagen fürchtet. Die Sorge war berechtigt.

Aber die anderen EU-Länder übernehmen für Belgien Garantien, die EU-Kommission sichert diese Garantien zusätzlich ab. Ein Restrisiko bleibt immer – doch es ist viel geringer als das Risiko des Nichthandelns.

Die Kosten einer Blockade Belgiens wären enorm

Denn die Kosten einer erneuten Blockade Belgiens wären extrem: Ohne europäische Unterstützung droht der Ukraine ein Diktatfrieden – eine Ordnung, bei der Europa gegen seinen Willen erneut aufgeteilt würde.

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Belgiens Premier De Wever sollte sich auch nicht in falscher Sicherheit wiegen. Die bei Euroclear liegenden russischen Gelder würden bei einer europäischen Blockade keineswegs verschont. Stattdessen würden die USA die Gelder beanspruchen. Im Klartext: Europa würde mit dem Einsatz der russischen Gelder die Ukraine, aber auch die europäische Verteidigungsindustrie stärken. Sollte Putin den Krieg beenden, sieht der EU-Plan vor, die Ukraine unter Beteiligung europäischer Unternehmen wiederaufzubauen.

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Bringen die Regierungschefs keine Entscheidung zustande, profitieren andere: Die US-Regierung  will das Geld für den Wiederaufbau der Ukraine unter Beteiligung amerikanischer Unternehmen einsetzen, ein weiterer Teil soll in russisch-amerikanische Programme fließen.

Doch es geht um viel mehr als Gewinne: Ohne Einsatz der russischen Gelder wird die EU kaum eine ähnlich hohe Summe für die Ukraine mobilisieren können, denn weder Deutschland noch die meisten anderen Staaten möchten neue Schulden aufnehmen. Deshalb gibt es für die europäischen Chefs keine andere plausible Alternative, um der Ukraine jetzt den Rücken zu stärken.

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