Gastkommentar: Lehren aus dem Fall Wirecard: Das Oligopol der großen Bilanzprüfer muss gebrochen werden

Annette Messemer ist Verwaltungsrätin der französischen Konzerne Société Générale, Essilor-Luxottica, Imérys und Savencia und Mitglied diverser Prüfungs- und Risikoausschüsse.
Die Debatte zum Fall Wirecard in Deutschland reißt nicht ab. In der kommenden Woche wird der Deutsche Bundestag über gesetzgeberische Konsequenzen beraten: den Regierungsentwurf zum Finanzmarktintegritätsgesetz (FISG). Im FISG werden die zukünftigen Reformen im deutschen Finanzmarkt nach Wirecard weiter präzisiert, ja verbessert.
Ein Fokus liegt unter anderem auf der Regulierung der Wirtschaftsprüfung. Aus europäischer Perspektive springen diese Reformvorhaben aber immer noch zu kurz und unterliegen der Vorstellung, dass insbesondere eine stärkere Regulierung die Antwort auf den wohl größten Wirtschaftsbetrug der letzten Jahrzehnte ist. Die strukturellen Probleme der Wirtschaftsprüfung – der mangelnde Wettbewerb bei der Prüfung großer Konzerne – werden dagegen nicht angegangen. Eine verpasste Chance.
Die Marktkonzentration unter den Wirtschaftsprüfern ist extrem: Aktuell werden sämtliche Dax-Konzerne von den sogenannten Big Four geprüft – selbst unter Berücksichtigung der weiteren Indizes (MDax, SDax, TecDax) sind es immer noch 92 Prozent. Ähnlich sieht es in den meisten anderen europäischen Ländern aus.
Das FISG bietet die Möglichkeit, dieses Oligopol aufzubrechen, nachdem die 2016 in Kraft getretene EU-Reform der Abschlussprüfung dieses Ziel klar verfehlt hat. Die Marktkonzentration hat sich stattdessen weiter erhöht, eine bedauerliche Fehlentwicklung, insbesondere angesichts der Aktivitäten der EU-Wettbewerbsaufsicht in anderen Bereichen.





