Gastkommentar: So lässt sich der Klimaschutz retten
Lars-Hendrik Röller ist Gründer und Chairman des Berlin Global Dialogue und Professor of Economics an der European School of Management and Technology (ESMT) Berlin.
Die Notfalllage soll nun zum vierten Jahr in Folge durch den Bundestag festgestellt werden. Damit wäre der Weg frei, in diesem Jahr weitere Schulden zu machen, um die wichtige Transformation der Wirtschaft voranzutreiben.
Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, wird sicherlich Gegenstand von Diskussionen sein. Immerhin muss eine außergewöhnliche Notfallsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht, gut begründet sein. Eine weitere Frage ist allerdings, ob es auch anders geht. Lässt sich Klimaschutz nur über Schulden erreichen?
Finanzpolitisch sind mehr Schulden in Zeiten hoher Inflation Gift, da sie zu höheren Zinsen führen können. Auch erhöht sich die Schuldenlast, das heißt, wir werden mehr Mittel in zukünftigen Haushalten für die Bedienung von Schulden aufwenden müssen. Es schränkt also zukünftiges politisches Handeln ein. Und wenn die Bonität der deutschen Staatsanleihen leidet, wovon im Moment noch niemand ausgeht, verstärkt sich das alles noch.
Nachhaltige Finanzpolitik ist gerecht, kluge Vorsorge und somit Vorbild für andere Länder
Schulden missachten die Generationengerechtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem einschlägigen Urteil im Jahr 2021 die Generationengerechtigkeit mit Blick auf den Klimaschutz gestärkt. Das Gleiche gilt für eine nachhaltige Finanzpolitik. Es wird immer große Herausforderungen geben, man denke nur an den demografischen Wandel oder bedrohliche geopolitische Risiken, und dafür brauchen wir einen stabilen Finanzrahmen. Nachhaltige Finanzpolitik ist nicht nur gerecht, sondern auch kluge Vorsorge.
Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb Schulden klimapolitisch hinterfragt werden sollten. Klimaschutz ist die vielleicht wichtigste globale Herausforderung unserer Zeit.
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Deutschland und die EU sollten ihre Klimaziele sehr ambitioniert verfolgen, damit andere Länder es ihnen gleichtun wollen. Dabei ist zu bedenken, dass die wirtschaftliche und finanzielle Situation vieler Länder in der Welt alles andere als vergleichbar mit Deutschland oder Europa ist.
Wenn Deutschland ambitionierten Klimaschutz nur mit mehr Schulden umsetzen kann, dann hat das keine Vorbildfunktion, sondern schreckt arme Länder eher ab.
Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit müssen das Ziel sein
Was also ist die Alternative zu Schulden oder auch zum Sparen? Es gibt einen besseren Weg, die notwendige Transformation zur Klimaneutralität zu bewältigen: den bereits existierenden Emissionshandel auszuweiten und zu stärken.
Der dadurch entstehende Preis auf CO2 setzt die notwendigen Anreize für private Investitionen in den Klimaschutz und grüne Technologien, die sich dann rechnen und somit unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken würden. Damit hätten wir beides erreicht, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit.
Sozialer Ausgleich und Strompreiskompensation sollten ausgebaut werden
Allerdings muss hier der soziale Ausgleich für mittlere und schwache Einkommen zeitgleich und möglichst zielgenau erfolgen. Die Mittel aus dem Emissionshandel müssen stärker in den sozialen Ausgleich investiert werden.
Zudem sollten Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, entlastet werden. Auch dafür gibt es bereits Instrumente, wie etwa die Strompreiskompensation, die ausgebaut werden sollte. Ziel muss es sein, zumindest den europäischen Emissionshandel weiter zu stärken.
Ein Weg, der mehr auf CO2-Bepreisung setzt, verbunden mit einer starken sozialen Komponente, ist ganz im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft.
Keine Schulden machen bedeutet nicht, dass der Staat weniger investieren sollte oder sich gut überlegt, wie Einsparungen zu mehr Effizienz führen. Allerdings wird das nicht reichen, um die gewaltigen Investitionen in die Transformation zu bewerkstelligen.
Eine Stärkung des Emissionshandels ist ein wichtiges Standbein. Man sollte hier mehr Soziale Marktwirtschaft wagen.
Der Autor:
Lars-Hendrik Röller ist Gründer und Chairman des Berlin Global Dialogue und Professor of Economics an der European School of Management and Technology (ESMT) Berlin.
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