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GastkommentarUnternehmer müssen in der Transition führen wie Gründer

Detailversessenheit zeichnet erfolgreiche Gründer aus, Konzernchefs und Mittelständler delegieren dagegen oft nur noch. Das ist gerade in einer Krise verkehrt, meint Thomas Sattelberger. 01.04.2025 - 10:11 Uhr Artikel anhören
Der Autor: Thomas Sattelberger war Personalvorstand bei Telekom und Continental und Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (FDP). Foto: E+/Getty Images [M]

Angesichts des Niedergangs unseres Landes und seiner schleppenden digitalen Transformation hinterfragen wir derzeit alles – und das ist richtig so. Doch das gängige Verständnis von Unternehmensführung bleibt tabu.

Zwar registriert Nicolas von Rosty, Deutschlandchef von Heidrick & Struggles, dass „vor allem in klassischen deutschen Industriebranchen wieder ein härterer Managertyp“ gefragt sei. Doch dahinter versteckt sich eine naive Führungsphilosophie nach dem Motto „Harte Führung in Krisenzeiten und weiche im Sonnenschein“.

Dabei befindet sich die deutsche Industrie in einem disruptiven Strukturwandel, der eine dritte, gänzlich andere Art von Führung erfordert.

Gründer sind oft Pioniere eines innovativen Managementstils

Das Vorbild dafür liefern zahlreiche Gründer: Sie sind oft Pioniere einer innovativen, aber unpopulären Führung. In der Gründerszene wogt derzeit dazu eine heftige Debatte.

Jüngst sorgte dort Paul Graham, Informatik-Wissenschaftler und Co-Gründer des bekannten amerikanischen Gründerzentrums Y-Combinator, inspiriert durch einen Vortrag von Airbnb-Gründer Brian Chesky mit einem Essay für Furore.

Chesky hatte berichtet, dass Business-Angels und Risikokapitalgeber mit Business-School-Hintergrund Gründern oft den wohlmeinenden Rat geben: „Rekrutiere gute Leute, aber mische dich nicht in die Details ein, was und wie sie es machen. Das wäre Mikromanagement und schlecht für sie.“

Viele Gründer hätten unter diesem Rat gelitten, schreibt Graham, weil der Wechsel vom „founders mode“ zum „manager mode“ zu zeitraubenden, ja kostspieligen Fehlschlägen beim Wachstum ihrer Geschäfte geführt habe.

Er fordert, dass Gründer auch bei einem rasanten Wachstum ihrer Unternehmen weiter tief in den „Nitty-Gritties“ des Alltagsgeschäfts stecken müssten, so wie in den frühen Tagen des Start-ups.

Übrigens steckten früher auch Werner von Siemens oder Robert Bosch, selbst als ihre Unternehmen schon Tausende von Mitarbeitern hatten, immer noch tief in wichtigen Projekten oder entwickelten eigene Patente, während sie ihre Unternehmen führten.

Hands-on-Führung wird als Mikromanagement diskreditiert

Die Realität in Deutschland ist heute aber eine andere: Nicht nur in börsennotierten Konzernen, sondern auch bei vielen unserer großen Mittelständler führen „Amtsinhaber“ abgehoben wie in einer Blase. Losgelöst vom Produkt sind sie keine Macher mehr, sondern ernähren sich von Zuarbeitern. Dabei kenne ich zu viele im Management, die nichts mehr selbst können, sondern nur noch mittels Kennzahlen beurteilen, was andere machen.

Doch das Delegationsmodell der Führung taugt allenfalls in Konzernstrukturen mit ihren unterschiedlichen Geschäftsfeldern. Selbst da stößt es an Grenzen.

Es ist erst recht nicht geeignet für Mittelständler, die nicht nur die Krise bewältigen, sondern auch ihr Geschäftsmodell transformieren müssen.

Brian Chesky ist mit seinem Beharren, weiter in Details eingeweiht zu bleiben, nicht allein: Marc Benioff, CEO des SAP-Rivalen Salesforce, hat das Unternehmen mit einer rustikal-akribischen Führung zu einem Konzern mit Milliardenumsatz gemacht.

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Ähnlich ging Amazon-Chef Jeff Bezos vor, ganz zu schweigen vom detailversessenen Steve Jobs, der Apple zu einem gigantischen Wachstum verhalf, als er ins Unternehmen zurückkehrte, aus dem er zuvor herausgeworfen worden war. Übrigens schlief Elon Musk in seinen besseren Zeiten in der Fabrikhalle, wenn er mithalf, Produktionsstörungen in den ersten Tesla-Fabriken zu beheben.

Akribische Besessenheit besaßen auch deutsche Unternehmer wie der Flugzeugkonstrukteur Peter Dornier oder der Maschinenbauer Berthold Leibinger, jahrzehntelang Chef des Laser- und Maschinenspezialisten Trumpf. Sie alle kannten ihr Produkt so tief, dass sie jede Tücke aufspürten und Probleme aus dem Stand lösten.

Mittelständische Unternehmer wie der Tunnelbauer Martin Herrenknecht praktizieren diese Art von Führung noch heute: politisch inkorrekt, altmodisch, aber erfolgreich. Und sich immer der Gefahr bewusst, sich ins Gefängnis alter Erfolge zu verlieben.

Es ist Zeit, von den erfolgreichen Gründern zu lernen

Airbnb-CEO Brian Chesky bringt es auf den Punkt „It’s being in the details ... Great leadership is presence, not absence.“ (Der Schlüssel liegt in den Details ... Tolle Führung ist Anwesenheit, nicht Abwesenheit). Zugleich kritisiert er exorbitant aufgeblähte Organisationen mit einer Inflation an Managementebenen, die Manager managen, die Manager managen, die ...

Eine solche Führung passt zwar nicht in das Weltbild der Gutmenschen und Berater, welches uns in Business-Schools und Hochschulen, Hierarchien und Karriereprogrammen eingebläut wird. Doch den Erfolg belegen die experimentellen Muster erfolgreicher internationaler Firmenbauer: Die genannten Gründer waren tief in der Sache, haben Mitarbeiter konfrontiert und herausgefordert – und ja, sie waren mitunter auch kauzig und raubeinig. Aber sie hatten Erfolg.

Es ist Zeit, von ihnen zu lernen.

Verwandte Themen Airbnb FDP Continental Steve Jobs Jeff Bezos SAP

Der Autor: Thomas Sattelberger war Personalvorstand bei Telekom und Continental und Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (FDP).

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