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GastkommentarWarum der Wahlausgang in Taiwan den Konflikt mit China besänftigen könnte

Die Mehrheit der taiwanischen Bevölkerung möchte den Status quo zu China beibehalten. Julia Haes und Klaus Mühlhahn sind überzeugt, dass auch Peking mit dem Wahlergebnis mittelfristig gut leben kann.Julia Haes und Klaus Mühlhahn 29.01.2024 - 15:16 Uhr
Die Autorin Julia Haes ist Gründerin und Geschäftsführerin des China-Instituts für die deutsche Wirtschaft (CIDW). Der Autor Klaus Mühlhahn ist Professor für Sinologie und Präsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Foto: AP, privat, Freie Universität Berlin [M]

Die Wahlen in Taiwan wurden weltweit intensiv beobachtet. Die internationale Presse war sich einig: Die Wahl des Kandidaten der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) sei ein Schlag ins Gesicht der chinesischen Regierung. Das Risiko eines Krieges sei gestiegen, da Peking weder eine Demokratie auf Taiwan tolerieren könne noch vom Ziel der Wiedervereinigung abrücken werde.

Das chinesische Außenministerium schien diese Lesart zunächst zu bestätigen, indem es davor warnte, dem siegreichen Kandidaten Lai Ching-te zu gratulieren. Dennoch haben über 50 Länder Glückwünsche übermittelt und wurden postwendend alle einzeln vom chinesischen Außenministerium kritisiert. Und zu allem Überfluss schickte China am 17. Januar 2024 achtzehn Flugzeuge in die Taiwanstraße, um dort militärische Übungen abzuhalten.

Die Wahlergebnisse deuten aber unserer Meinung nach in eine ganz andere Richtung: Die Spannungen werden abnehmen, und ein Konflikt zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland ist viel unwahrscheinlicher geworden.

Die DPP hat als Partei, die sich von China unabhängiger machen will, deutlich verloren

Aus der Wahl ist keine der großen Parteien als klarer Gewinner hervorgegangen. Die DPP, die für mehr Unabhängigkeit vom Festland eintritt, behielt zwar die Präsidentschaft, jedoch mit deutlich weniger Stimmen als in früheren Wahlen. Hatten 2020 noch 8,2 Millionen Wähler die Präsidentin Tsai Ing-wen gewählt, erhielt William Lai nur noch 5,6 Millionen Stimmen (40,05 Prozent) – ein deutlicher Rückgang. Zudem verlor die DPP ihre Mehrheit im Parlament und hat nur noch 51 von insgesamt 113 Sitzen.

>>>Lesen Sie hier: Nach Taiwan-Wahl: Vorsichtige Worte von US-Präsident Joe Biden, Erleichterung bei deutschen Politikern.

Der Kandidat der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) Hou Yu-ih unterlag zwar mit deutlichem Abstand (33,49 Prozent) im Rennen um die Präsidentschaft, die KMT konnte aber 52 (+14) Sitze im Parlament erringen und wurde damit zur stärksten Partei. Ko Wen-je, der Kandidat der Taiwanischen Volkspartei (TPP), belegte mit 26,46 Prozent den dritten Platz im Präsidentschaftswahlkampf. Die TPP gewann mit acht Plätzen aber eine überraschend starke dritte Position im Parlament.

Trotz vieler Protest- und Wechselwähler hat keine der großen Parteien einen klaren Sieg errungen. Die DPP behielt die Präsidentschaft, aber ihr Wahlergebnis war im Grunde enttäuschend. Davon konnte die KMT dennoch nicht profitieren. Im Wahlkampf standen innenpolitische Themen im Vordergrund, bei denen die beiden großen Parteien nicht überzeugen konnten.

Der Wahlausgang ist ein Plädoyer der Wähler, den Status quo zu China nicht zu verändern

Ko Wen-je und die TPP sind die eigentlichen Gewinner. Die TPP verfolgt einen pragmatischen Kurs der Mitte und hat nun die entscheidende Position des Züngleins an der Waage. Zu den Beziehungen zum Festland hat Ko eine klare Position. Er will den Status quo erhalten.

Der Wahlausgang ist ein Plädoyer der Wähler auf Taiwan dafür, die bestehenden Verhältnisse an der Taiwanstraße nicht zu verändern. Die Niederlagen der KMT in den letzten drei Präsidentschaftswahlen beweisen, dass eine Annäherung an China wenig populär ist. Obwohl die KMT Sitze im Parlament hinzugewann, erreichte sie keine absolute Mehrheit.

Aber auch die DPP konnte sich nicht durchsetzen: Schritte in Richtung Unabhängigkeit lehnen die Wähler ebenfalls mehrheitlich ab. Das Wahlergebnis bestätigt das Meinungsbild der jährlichen Befragungen der taiwanischen National-Chengchi-Universität: Seit Jahren wünschen sich mindestens 60 Prozent der Bevölkerung eine Aufrechterhaltung des Status quo.

Ein Angriff Chinas auf Taiwan ist unwahrscheinlich, und das Risiko einer Eskalation des Taiwankonflikts geht zurück. Die geopolitische Lage wird somit berechenbarer für deutsche Unternehmen, die in der „Greater China“-Region engagiert sind.

Obwohl der Präsident in Taiwan direkt vom Volk gewählt wird, gibt das Machtgleichgewicht zwischen dem Präsidenten und dem Parlament dem zukünftigen KMT-Premierminister in der Exekutive eine entscheidende Rolle. Zwar ist der DPP-Präsident für die Außenpolitik und die nationale Sicherheit verantwortlich, aber die KMT wird in der Exekutive und im Parlament die Innenpolitik gestalten. Damit hat sie auch großen Einfluss auf den staatlichen Haushalt. Bestehende Programme sind geschützt, aber neue Initiativen können von KMT und TPP gemeinsam blockiert werden. Darunter fallen auch Waffenkäufe. Deshalb werden Alleingänge der DPP in Richtung Unabhängigkeit kaum durchsetzbar sein. Der Status quo wird mittelfristig Bestand haben.

Xi Jinping hat immer wieder betont, dass die Volksrepublik China zwar an dem Ziel der Wiedervereinigung festhält, aber den Status quo auch für längere Zeit akzeptieren wird. Jenseits der offiziellen Rhetorik wird Peking schnell erkennen, dass es mit dem Wahlergebnis gut leben kann.

Ein Angriff Chinas auf Taiwan ist unwahrscheinlich, und das Risiko einer Eskalation des Taiwankonflikts geht zurück. Die geopolitische Lage wird somit berechenbarer für deutsche Unternehmen, die in der „Greater China“-Region engagiert sind.

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Die Autoren:
Julia Haes ist Gründerin und Geschäftsführerin des China-Instituts für die deutsche Wirtschaft (CIDW).
Klaus Mühlhahn ist Professor für Sinologie und Präsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen.

Mehr: Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz rät Europa, Planspiele für einen militärischen Überfall Chinas auf Taiwan zu entwickeln.

Erstpublikation: 29.01.2024, 04:00 Uhr.

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