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KommentarWie schafft Deutschland seine Verwaltung zukunftsfähig aufzubauen?

Das Formular-Chaos könnte bald der Vergangenheit angehören. Wie die Daten laufen und nicht die Menschen – effizient und sicher, erklären Andrea Nahles und Stefan Latuski.Andrea Nahles, Stefan Latuski 13.11.2025 - 08:25 Uhr Artikel anhören
Die Autoren: Andrea Nahles ist Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Stefan Latuski ist CIO der BA. Foto: CIO/Robert Hübschmann, Bernd von Jutrczenka/dpa, Reuters

In Deutschland eine Leistung zu beantragen, ist fast so aufwendig wie den Passierschein A38 im Asterix-Comic zu bekommen. In unterschiedlichen Formularen muss man wieder und wieder die gleichen Nachweise einreichen. Das kostet Zeit, Geld und Vertrauen. Wenn unser Sozialstaat zukunftsfähig bleiben soll, müssen wir Verwaltung neu denken – digital, vernetzt und am Bedarf der Menschen orientiert. Mit der Kommission zur Sozialstaatsreform haben wir jetzt die Chance, Verwaltung zukunftsfähig aufzustellen – und diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen!

Vom Melderegister bis zur Finanzverwaltung existieren in Deutschland tausendfach einzelne Register. Jedes davon birgt wertvolle Datenbestände, die den Bürgerinnen und Bürgern Behördengänge ersparen könnten. Doch dieses Potenzial bleibt oft ungenutzt, weil rechtliche und organisatorische Grenzen den Austausch verhindern.

Seit dem Volkszählungsurteil 1983 gibt es die Ur-Angst vor dem „gläsernen Bürger“ und damit verbunden sind wir bei der Registermodernisierung nicht mutig genug. Die große politische Zurückhaltung beim „Once-Only-Prinzip“ führt dazu, dass die Verwaltung mehr Arbeit hat und Bürgerinnen und Bürger keinen Vorteil. Sie sollten ihre Daten nur einmal angeben müssen und dann darauf vertrauen können, dass die staatlichen Stellen diese berechtigt und sicher „wiederverwenden“. Nicht die Menschen sollten von Behörde zu Behörde wandern, sondern die Daten.

Über die technischen Voraussetzungen dazu verfügen wir längst, und mit der steuerlichen Identifikationsnummer könnten Daten verwaltungsübergreifend genutzt werden. Doch rechtliche Einschränkungen verhindern die Nutzung und erschweren einen ganzheitlichen Verwaltungsansatz.

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Natürlich haben Datenschutz und Datensouveränität Priorität. Sie dürfen aber nicht als Vorwand genutzt werden, um sich echter Verwaltungsdigitalisierung zu verschließen. Vielmehr geht es darum, die technischen Möglichkeiten im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen, durch die rechtssichere Verknüpfung von Daten und Nachweisen über Verwaltungsgrenzen hinweg.

Aber der behördenübergreifende Datenaustausch scheitert bisher an der fehlenden Standardisierung. Eine moderne Verwaltung braucht verbindliche Standards: technische Schnittstellen, einheitliche Datenformate und abgestimmte Prozesse. Standardisierung bedeutet mehr Transparenz und Gerechtigkeit, denn gleiche Fälle werden auch gleich behandelt. Das ist aber nur möglich, wenn wir auch gemeinsame Prozesse und IT-Systeme nutzen.

Bei der Bundesagentur für Arbeit haben wir uns bereits auf diesen Weg gemacht: Täglich fließen Millionen Daten sicher zwischen uns und Krankenkassen, Rentenversicherung und Arbeitgebern. Diese Infrastruktur ist ein Erfolg und wir werben dafür, dies konsequent auszubauen, für alle Bereiche des Sozialstaats.

Verwaltungsmodernisierung beginnt schon bei der Gesetzgebung. Komplexe Rechtsnormen mit unzähligen Ausnahmetatbeständen und allzu häufigen Ermessensentscheidungen sind praktisch „unautomatisierbar“. Das Ergebnis sehen wir aktuell: Verwaltungen bauen sich Insellösungen, die zu Medienbrüchen führen. Ausbaden tun es am Ende die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Beschäftigten in den Behörden.

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Der 2023 eingeführte Digitalcheck für neue Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ist ein richtiger Ansatz. Er muss nun weiterentwickelt werden. Er muss verbindlicher und früher ansetzen. Künftig sollten alle neuen Prozesse und Gesetze digital gedacht werden.

Statt für jede Aufgabe neue IT-Systeme zu entwickeln, sollten wir vorhandene Plattformen gemeinsam nutzen. Würden beispielsweise alle Jobcenter durchgängig die IT der Bundesagentur für Arbeit nutzen, gäbe es einheitliche Systeme, Daten und Verwaltungsabläufe über föderale Ebenen hinweg. Dies gilt insbesondere für die kommunalen Jobcenter, die heute gar keine technische Anbindung an die Bundesagentur haben.

Das schafft Vertrauen in den Sozialstaat, denn missbräuchliche Doppelmeldungen werden erschwert, die Verlässlichkeit der Verwaltungsentscheidungen erhöht, IT-Sicherheitsstandards gestärkt und die Kosten gesenkt.

Wenn wir Modernisierung wirklich wollen, müssen wir ganzheitlich denken: Bund, Länder, Kommunen sowie Verwaltung, Politik und Wirtschaft. Wir als Bundesagentur für Arbeit haben uns dem „Once-Only-Prinzip“ verschrieben und bringen uns bereits aktiv ein: mit Pilotprojekten, Initiativen und im Registerbeirat.

Jetzt, wo so viele Kommissionen der Bundesregierung Entscheidungen vorbereiten, muss der digitale Schulterschluss gewagt werden – damit tatsächlich die Daten laufen und nicht mehr die Menschen.

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Die Autoren: Andrea Nahles ist Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Stefan Latuski ist seit August 2023 CIO der BA und zugleich auch Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) des IT-Systemhauses der BA, eines der größten IT-Arbeitgeber im öffentlichen Sektor.

Erstpublikation: 10.11.2025, 04:24 Uhr.

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