Prüfers Kolumne Das Sparschwein ist vom Aussterben bedroht

Tillman Prüfer beschäftigt sich mit der Symbolhaftigkeit des Sparschweins.
Ich habe gelesen, dass die australische Münzprägeanstalt die Bezeichnungen ihrer Sparschweine im Souvenirshop auf der anstaltseigenen Website ändern musste. Diese hießen einmal „Papa“, „Mama“ und „Baby“. Dabei war aber Papa deutlich dicker als Mama. Im Internet wurde deswegen eine Debatte über die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen losgetreten.
Man sah darin ein Spiegelbild des Gender-Pay-Gap: Mama verdient weniger als Papa. Deswegen braucht sie weniger zu sparen. Nun wurden die Sparschweine umbenannt in „Large“, „Medium“ und „Small“. Das ändert nichts am Gender-Pay-Gap, stellt aber klar, dass sich die Münzprägeanstalt nicht darüber lustig machen möchte.
Ich weiß nicht, ob das reicht. Ist ein Sparschwein an sich nicht eine makabre Abgelegenheit? Man ritualisiert das Schlachten eines Tieres – und verbindet das symbolisch mit finanziellem Wohlstand. Ich wundere mich, dass dies von Veganer- und Tierschutzorganisationen noch nicht aufgegriffen wurde. Die Commerzbank hat sogar eine Spardose in Form eines Elefanten. Wo bleibt der WWF?

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „ZEIT“-Magazins.
Banken und Münzanstalten sind offenbar die Letzten, die daran festhalten, dass man Tiere mit Hämmern zerschlagen oder ihnen zumindest den Bauch aushöhlen soll. Wenn man sich ansonsten auf dem Markt der Sparbüchsen umtut, muss man feststellen, dass Tiere eigentlich nicht mehr sehr gefragt sind.
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Man spart überhaupt nicht mehr um des Sparens willen, sondern auf einen bestimmten Zweck hin. Ich habe im Onlinehandel eine Spardose gesehen mit dem Aufdruck „Saving for Great Escape for Freedom and Fun“. Man spart also für eine großartige Flucht Richtung Freiheit und Spaß.
Vermutlich ist damit Urlaub gemeint. Es gibt auch Spardosen in Form des Big Ben, um für einen London-Urlaub zu sparen, jedenfalls solange die Grenzen noch offen sind. Etliche Spardosen sind mit dem Aufdruck „Tattoo-Kasse“ versehen. Offenbar sparen Deutsche gerne für die Hautverschönerung. Ich habe auch eine Spardose „Für meine Rente“ gefunden, es scheint also nicht allzu viel Vertrauen in das Rentensystem zu geben.
Dabei ist die Frage, ob Sparen überhaupt noch angemessen ist. Denn die Münzen, die man in die Spardose steckt, sind bei den Banken überhaupt nicht beliebt. Viele Banken nehmen für die Annahme von Münzen Gebühren. Wer bei der Sparkasse in Berlin Münzen im Beutel abgibt, zahlt dafür eine Gebühr von 7,50 Euro. Wenn man den Beutel mit Ein-Cent-Stücken gefüllt hat, ist wohl der gesamte Beutelinhalt Gebühr. Will heißen, wenn man die Groschen immer brav in die Spardose steckt, kann man sie eigentlich auch wegwerfen.
In der Politik wird schon lange über die Abschaffung von kleinen Münzen diskutiert. Da muss es einen nicht wundern, dass fast ein Drittel der Deutschen nach Ergebnissen einer Umfrage überhaupt nicht mehr spart. Sie haben nach eigenen Angaben keine Rücklagen. In Europa ist der Anteil der Nicht-Sparer nur in Rumänien größer.
Wir müssen uns also darauf vorbereiten, dass das gemeine Sparschwein also bald zu den gefährdeten Tierarten gehört. Und das kann Tierschützern dann auch wieder nicht recht sein.
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