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Prüfers KolumneEin Herz für Narzissten

Die Persönlichkeitsstörung wird so stigmatisiert, dass der US-Präsident darüber den Job verliert. Dabei sind Narzissten beliebt – etwa bei Grundschülern.Tillmann Prüfer 27.02.2021 - 11:25 Uhr Artikel anhören

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Foto: Handelsblatt

Man kann wohl sagen, dass große Teile der westlichen Welt in den vergangenen Jahren nicht sonderlich gut auf Narzissten zu sprechen waren. Ein angeblicher Narzisst durfte vier Jahre lang US-Präsident sein. Es wurde sich darüber beschwert, dass so viele Lügen erzählt wurden, dass die internationalen Beziehungen in die Krise gerieten, und überhaupt war alles schlecht. Am schlechtesten war wiederum, dass der Mann, der US-Präsident wurde, ein Narzisst war.

Das wurde immer wieder entrüstet festgestellt. Psychologen lieferten Ferndiagnosen und schüttelten besorgt die Köpfe. In der ganzen Zeit hat sich nie jemand gefragt, wie sich eigentlich die Narzissten dabei fühlen. Ich habe gelesen, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leide.

Das sind Hunderttausende. Bei anderen Krankheitsbildern wird gejubelt, wenn ein Betroffener es trotzdem geschafft hat, Karriere zu machen. Dann wird eher betont, dass die- oder derjenige eine Vorbildfunktion habe und ganz stark ist, weil er gezeigt hat, dass eine Krankheit kein Karrierehindernis sein muss.

Man hat aber nirgends gelesen: „Der US-Präsident macht allen Narzissten dieser Welt Mut.“ Stattdessen wurde Narzissmus problematisiert – ohne jede Rücksicht auf das Seelenheil der Narzissten. Sie werden immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt – und verlieren, so wie der ehemalige US-Präsident, durch dieses Narzissmus-Shaming teilweise sogar ihre Jobs!

Es wird dabei so getan, als ob Narzissten per se unbeliebt wären. Aber das ist nicht so. In der „Süddeutschen Zeitung“ bin ich auf eine Studie des Psychologenteams um den Amsterdamer Forscher Eddie Brummelman gestoßen, die im Fachjournal „Psychological Science“ vorgestellt wurde. Brummelman fand heraus, dass bereits sieben- bis 14-Jährige eine Vorliebe für narzisstische Führungsfiguren haben.

Kinder, die von sich selbst und von ihren vermeintlichen Fähigkeiten besonders überzeugt sind, bekommen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von ihren Klassenkameraden und -kameradinnen Führungsaufgaben übertragen. Etwa wenn es darum geht, Aufgaben zu moderieren und zu strukturieren.

Beim Erstkontakt ernten Narzissten als besonders von sich eingenommene Menschen oft Bewunderung und Wohlwollen. Das liege daran, so die Forschungsgruppe, dass sie mit ihrem Verhalten den landläufigen Meinungen entsprechen würden, wie Führungspersonen sein sollten.

Schuld sind also gar nicht die Narzissten, sondern die, die sie einstellen. Die ihnen Führungspositionen geben, nur weil sie zu wissen meinen, wie eine Führungsperson aussieht. Wenn die Narzissten dann aber im Amt sind, ist das Gejammer oft groß.

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Die gute Nachricht für den nun mit viel Schimpf verabschiedeten ehemaligen US-Präsidenten: Als Klassensprecher würde er wohl gewählt werden.

Mehr: Büroatmosphäre gegen kriminelle Energie.

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