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Gastkommentar – Global ChallengesTaiwan wählt: Was das für die Welt bedeutet und wie China reagieren könnte

Gewinnt die Regierungspartei DPP, dürfte China versuchen, Taiwan nachhaltig zu schwächen. Möglich ist auch eine militärische Eskalation in der Taiwanstraße, warnt Angela Stanzel. 04.01.2024 - 04:34 Uhr

Die Präsidentschaftswahlen in Taiwan am 13. Januar könnten weltpolitische Auswirkungen haben. Die Sicherheitslage in der Taiwanstraße – die 180 Kilometer breite Meerenge zwischen China und Taiwan – kann sich je nach Ausgang gravierend verändern.

Drei Kandidaten sind bei der Wahl im Rennen: Lai Ching-te, Spitzenkandidat der derzeitigen Regierungspartei Demokratische Fortschrittspartei (DPP). Er liegt in den jüngsten Meinungsumfragen mit etwa 34 Prozent an der Spitze. Ihm folgen Hou Yu-ih (31 Prozent), Präsidentschaftskandidat der Kuomintang (KMT), und Ko Wen-je (21 Prozent) von der Taiwanischen Volkspartei (TPP).

Peking hat den Wahlkampf mit Argusaugen beobachtet und zu beeinflussen versucht. Sicher ist: Der Ausgang wird über die künftige Taiwanpolitik der Volksrepublik entscheiden.

Peking pflegt ausschließlich Kontakte zur KMT, da deren Zielsetzung seit den Zeiten des Militärdiktators Chiang Kai-shek die Vereinigung mit Festlandchina ist. Mit der DPP, die für die Unabhängigkeit Taiwans eintritt, und ihrer Regierung hat Peking bereits 2012, nach dem Wahlsieg von Präsidentin Tsai Ing-wen, jeden Dialog eingefroren.

Tatsächlich fordert die DPP heute, nicht anders als die KMT, lediglich die Erhaltung des Status quo. Dennoch erwartet Peking von einer DPP-Regierung mehr Konflikte mit der Volksrepublik, von einem KMT-Präsidenten dagegen eine Politik der graduellen Anpassung an Peking.

Auch die Nominierung der von China sanktionierten DPP-Politikerin Hsiao Bi-khim für die Vizepräsidentschaft ist auf dem Festland als Provokation verstanden worden. Wenn vor diesem Hintergrund ein DPP-Kandidat erneut und damit zum dritten Mal in Folge die Präsidentschaftswahl gewinnt, wäre dies auch eine Ablehnung des taiwanischen Volkes gegenüber einer Politik der Annäherung an Festlandchina.

Ein Wahlsieg der Regierungspartei DPP ist zuletzt wahrscheinlicher geworden

Ein Wahlsieg der DPP ist in den vergangenen Wochen wahrscheinlicher geworden, da ein geplantes Bündnis zwischen der KMT und TPP, deren Kandidat ebenfalls als eher chinafreundlich gilt, Ende November platzte. Peking dürfte also spätestens seit diesem Zeitpunkt mit Lai als Präsidenten gerechnet und sich darauf vorbereitet haben.

Insbesondere die Zeit zwischen dem Wahltag und der Amtseinführung des neuen taiwanischen Präsidenten am 20. Mai 2024 dürfte brisant sein, da China dort noch Raum sehen könnte, erfolgreich Druck auf Taiwan auszuüben. Abhängig von dessen Erfolg wird die chinesische Führung die Weichen für ihre zukünftige Taiwanpolitik in dieser Zeit neu justieren.

Nach allen bisherigen und auch jüngeren Äußerungen Xi Jinpings dürfte sich die Volksrepublik veranlasst – und wohl auch berechtigt – sehen, auf die Wahl Lais zu reagieren und auf mehreren Ebenen Druck auszuüben. Das heißt, Taiwan nachhaltig politisch und wirtschaftlich zu schwächen sowie seine Demokratie zu unterminieren, und zwar effektiver, als es bisher gelungen ist.

Solange dabei das Ziel einer Übernahme Taiwans auf mehr oder weniger friedlichem Wege und kampflos zu erreichen scheint, ist ein militärischer Invasionsversuch unwahrscheinlich. Dabei wird die chinesische Führungsspitze wohl Überlegungen zu den wirtschaftlichen Kosten und den internationalen politischen Risiken einer Invasion anstellen.

Europa sollte seine Taiwanposition klar kommunizieren

Die Gefahr einer, wenn auch vielleicht ungewollten, militärischen Eskalation steigt aber, je mehr und je umfangreichere Militärübungen China in der Taiwanstraße abhält, also möglicherweise sein bisheriges Verhalten noch steigert.

Das sorgt für Unsicherheit in Taiwan: Könnte China durch militärische Drohgebärden die Risiken in der Taiwanstraße zuspitzen wollen? Wie viel Schaden ist Peking bereit der taiwanischen Wirtschaft hinzuzufügen, etwa durch Sanktionen, auch wenn dies auf Kosten der eigenen Wirtschaft geht?

Möglich ist auch, dass Peking die geringere Aufmerksamkeit der USA, des wichtigsten Partners Taiwans, für sich nutzen wird, um die Zahl der Einsätze der chinesischen Marine und der Luftwaffe um Taiwan zu erhöhen. Die USA haben ihren Fokus derzeit auf den US-Wahlen und den Kriegen in der Ukraine und Gaza.

>>Lesen Sie hier: Chinas Verteidigungsminister droht mit Eroberung Taiwans

Je nach weltpolitischer Lage werden auch die Europäer ihre Aufmerksamkeit anderen Krisenzentren zuwenden. Sie könnten damit die Gelegenheit verpassen, ihre Positionen klar, eindeutig und vor allem einheitlich zu kommunizieren. Denn Peking sollte deutlich gemacht werden, dass eine Gefährdung der Stabilität in der Taiwanstraße mit einer Verschlechterung der europäisch-chinesischen Beziehungen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich, einhergehen wird.

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Deutschland und Europa haben ein großes Interesse an der Stabilität im Indopazifik und am Fortbestehen des de facto unabhängigen und demokratischen Taiwans. Sie müssten deshalb durch Diplomatie und Dialog weiter versuchen, dort, wo eine gefährliche Eskalation im Verhältnis von China und Taiwan drohen könnte, ein Umdenken Pekings anzustoßen. Dies gilt insbesondere für die volatile Zeit unmittelbar nach dem Wahltag.

Angela Stanzel ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Asien in der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Mehr: Xi verschärft Ton zur „Wiedervereinigung“ mit Taiwan – Präsidentin Tsai reagiert

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