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Morning BriefingWie Friedrich Merz heute auf die Ära Merkel schaut

Christian Rickens 14.04.2025 - 06:13 Uhr Artikel anhören
Handelsblatt Morning Briefing

Merz-Gespräch: Wo ist die Bohrmaschine?

14.04.2025
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Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

In einem Interview des Handelsblatts mit Friedrich Merz finden sich zwei besonders bemerkenswerte Aussagen. Aus ihnen lässt sich lernen, wie Politik funktioniert – oder eben nicht.

Im ersten Zitat zeichnet der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler (angepeilter Wahltermin: 6. Mai) ein sehr treffendes Lagebild der Republik:

Den Frieden und unsere Freiheit haben vor allem die Amerikaner gesichert, wir haben uns auf die Wirtschaft konzentriert – und die lief glänzend. Globale Märkte, billige Vorprodukte vor allem aus China, preisgünstige Energie vor allem aus Russland, Veredelung in Deutschland und dann raus in die Welt, das war das deutsche Geschäftsmodell. All das ist jetzt infrage gestellt.

Stimmt. Und ist zugleich seit Jahren bekannt. In Medien wie dem Handelsblatt, aber nicht nur dort, war bereits während der Merkel-Ära zu lesen, wie sehr Deutschland von einer historischen und weltwirtschaftlichen Sonderkonstellation profitiert – und wie wichtig es wäre, sich auf die Zeit danach vorzubereiten. So zum Beispiel in dieser Handelsblatt-Titelgeschichte aus dem Jahr 2017.

Aber erst jetzt lassen sich diese Wahrheiten in der Unionsspitze offenbar offen aussprechen. Bis Deutschland die nötigen politischen Konsequenzen tatsächlich umgesetzt hat, werden noch einmal Jahre vergehen. Man denkt unwillkürlich an den Ausspruch des Soziologen Max Weber, wonach Politik das starke, langsame Bohren von harten Brettern bedeutet.

Friedrich Merz im Interview mit dem Handelsblatt in Berlin. Am 6. Mai könnte er vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Foto: Jonas Holthaus für Handelsblatt

Heute scheint es bisweilen so, als bestünde Politik darin, die Notwendigkeit zum Bohren möglichst lange zu ignorieren, um dann fünf Minuten vor Ladenschluss in den Baumarkt zu fahren und mit der stärksten und teuersten Schlagbohrmaschine zurückzukommen, die dort zu haben war. Und um sich dann erst einmal ein Bier aufzumachen und sich darüber zu freuen, dass man ja jetzt top-ausgerüstet sei und prinzipiell jederzeit mit dem Bohren beginnen könne.

Was zum zweiten bemerkenswerten Merz-Zitat führt:

Den meisten Menschen in unserem Land ist doch längst klar, wie ernst die Lage ist. Mein Eindruck ist eher, dass die Politik zu lange gebraucht hat, um die Situation zu verstehen und anzunehmen. In der Politik neigen wir dazu, den Ereignissen hinterherzulaufen, sie auch zu verdrängen. Und das geht jetzt nicht mehr.

Ein Problem habe ich nur mit dem letzten Satz. Mir scheint, dass in manchen Politikfeldern die Strategie des Verdrängens weiterhin erstaunlich gut funktioniert. Im Bereich der Renten- und Krankenversicherung etwa.

Das vollständige Handelsblatt-Interview mit Friedrich Merz können Sie hier lesen.

CEO-Gehälter steigen trotz stagnierender Gewinne

Egal, wie es mit der gesetzlichen Rente weitergeht, die vielen  Vorstandschefs und wenigen Vorstandschefinnen der 40 Dax-Konzerne werden mit Altersarmut eher nicht zu kämpfen haben. Nach Berechnungen des Handelsblatt Research Institute (HRI) erhielten die CEOs der Konzerne aus dem Leitindex im vergangenen Jahr insgesamt eine Vergütung von 231,4 Millionen Euro; das sind 10,4 Prozent mehr als im Vorjahr.

Christian Klein (o.l.), Belen Garijo, Vincent Warnery (u.l.), Ola Källenius: Einige Manager durften sich 2024 über große Gehaltssprünge freuen. Foto: Beiersdorf, Photothek/Getty Images, Bernd Weißbrod/dpa, Bloomberg/Getty Images

Der Zuwachs 2024 fiel damit deutlich höher aus als der Anstieg der Nettogewinne der Konzerne. Die stiegen im Schnitt nur um ein Prozent, wie meine Kollegin Tanja Kewes schreibt. Die Aktienkurse der Dax-Konzerne legten 2024 hingegen um knapp 19 Prozent zu. Das dürfte zum Höhenflug der Vergütungen beigetragen haben.

Top-Verdiener im Dax war 2024 Christian Klein von SAP mit knapp 19 Millionen Euro. Auch am unteren Ende der Dax-Vergütungsskala muss niemand wirklich darben: Schlusslicht Hans Dieter Pötsch geht bei der Porsche Holding immer noch mit 1,4 Millionen Euro nach Hause.

Zollausnahme für Elektronik nur vorübergehend?

Kaum von Sonderzöllen befreit, stehen Elektronikprodukte erneut im Visier der US-Regierung. Nach Angaben von US-Handelsminister Howard Lutnick sollen die gerade erst ausgenommenen Produktgruppen bald erneut mit Zusatzzöllen belegt werden. Auf die Frage des Senders ABC News, ob die aktuelle Ausnahme nur temporär sei, antwortete Lutnick: „Das ist richtig.“

Von der Erleichterung profitiert besonders Apple: Die weitaus meisten iPhones und andere Geräte des Konzerns werden in China gebaut. Lutnick dazu:

Wir müssen diese Dinge in Amerika herstellen lassen. Wir können uns bei grundlegenden Dingen, die wir brauchen, nicht auf das Ausland verlassen.

Deswegen werde US-Präsident Donald Trump in Kürze neue Zölle verkünden – „die wahrscheinlich in ein oder zwei Monaten kommen werden“.

Viele tote Zivilisten bei russischem Raketenangriff

Mit dem Begriff „Handelskrieg“ für das, was Trump und die Seinen da am Köcheln halten, tue ich mich schwer. „Handelskonflikt“ finde ich passender. Denn es gibt ja auch noch richtige Kriege, die deutlich unmittelbareres Leid verursachen.

Die Stadt Sumy ist immer wieder Ziel russischer Raketenschläge. Foto: dpa

Zum Beispiel gestern in der ukrainischen Stadt Sumy: Bei einem russischen Raketenangriff sind nach Angaben der ukrainischen Behörden mindestens 32 Menschen ums Leben gekommen, darunter zwei Kinder. Die Raketen seien im Zentrum von Sumy eingeschlagen, als viele Menschen sich für Feiern zum Palmsonntag versammelt hätten. Dem anschließenden Statement des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe ich nichts hinzuzufügen:

Nur dreckiger Abschaum kann sich so verhalten – gewöhnlichen Menschen das Leben nehmen.

Israel schafft „Sicherheitszonen“

Auch im zweiten Krieg vor unserer Haustür stehen die Zeichen auf Eskalation und weiterem Leid der Zivilbevölkerung: Israels Armee dehnt ihre Bodeneinsätze im Gazastreifen aus und drängt nach UN-Angaben Hunderttausende Palästinenser in ein immer kleineres Gebiet an der Mittelmeerküste.

Zuvor hatte Israels Verteidigungsminister Israel Katz eine Ausweitung des Militäreinsatzes angekündigt. Die Armee soll nach seinen Angaben umfangreiche Gebiete in dem abgeriegelten Küstenstreifen erobern, die zu israelischen „Sicherheitszonen“ werden sollen. Die Bevölkerung werde die Kampfgebiete verlassen müssen.

Das israelische Militär werde seinen Einsatz bald auf weitere Teile des Gazastreifens ausweiten, sagt der israelische Verteidigungsminister Katz. (Archivbild) Foto: dpa

„Art und Umfang der Evakuierungsbefehle“ gäben Anlass zu der ernsthaften Besorgnis, dass Israel beabsichtige, die Zivilbevölkerung dauerhaft aus diesen Gebieten zu vertreiben, kritisierte das UN-Menschenrechtsbüro.

Was auch zur Wahrheit gehört: Die im Gazastreifen herrschende Terrororganisation Hamas weigert sich weiterhin, die 24 noch lebenden Geiseln freizulassen, die sie am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppt hat.

Golfsiege bald Kassenleistung?

Die gängigen Rezepte, um seine Chancen auf ein langes und gesundes Leben zu erhöhen, sind simpel: gesunde Ernährung, viel Bewegung und ein reges Sozialleben. Der Leibarzt von Donald Trump hat dieser kurzen Liste nun eine weitere Strategie hinzugefügt.

Trump spielt am Wochenende häufiger Golf in einem seiner Clubs. (Archivbild) Foto: dpa

„Präsident Trump verfügt über eine ausgezeichnete kognitive und körperliche Gesundheit und ist völlig fit, die Pflichten des Oberbefehlshabers und Staatsoberhauptes auszuüben“, heißt es in einem am Sonntag veröffentlichten Attest des persönlichen Arztes von Trump im Weißen Haus, Sean Barbella. Zu Trumps Gesundheit trage eine „aktive Lebensführung“ bei, mit täglichen Konferenzen, Medienterminen und „regelmäßigen Siegen bei Golfturnieren“.

Ich frage mich, wann die ersten deutschen Krankenkassen Golfturniere, bei denen garantiert jeder mal gewinnt, als Präventionsmaßnahme in ihren Leistungskatalog aufnehmen. Wobei sich Kassenpatienten mit Blick auf die steigenden Sozialversicherungsbeiträge vielleicht bevorzugt im Minigolf messen sollten.

Ich wünsche Ihnen einen Wochenauftakt deutlich unter Par.

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Herzliche Grüße,

Ihr

Christian Rickens
Textchef Handelsblatt

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