Gastkommentar: Kampf gegen Klimawandel – It’s the economy, stupid!
Jörg Rocholl ist Präsident der European School of Management and Technology Berlin.
Die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland und Europa sind trübe. Diese Feststellung ist nach Betrachtung der jüngsten Wachstumsprognosen zum Allgemeinplatz geworden. Hinter dem Schleier der gegenwärtigen Prognosen verbergen sich aber noch deutlich größere und längerfristig sichtbare Umbrüche.
War nämlich die Wirtschaftskraft in der Europäischen Union im Jahr 2008 mit 16,3 Billionen Dollar noch größer als die in den USA mit 14,8 Billionen Dollar, hat sich dieses Verhältnis über die letzten 15 Jahre deutlich umgekehrt. Die Europäische Union liegt Ende letzten Jahres zusammen mit Großbritannien bei einem Bruttoinlandsprodukt von 19,8 Billionen Dollar, während die USA mit 25,5 Billionen Dollar deutlich davongezogen sind, bei einer weiter wachsenden Schere.
Denn die USA sind Europa in relevanten Zukunftsbereichen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz enteilt, gemessen an den in diesen Anwendungsfeldern bereits getätigten Investitionen und geschaffenen Werten. Der Unterschied in der Wirtschaftskraft zwischen den USA und Europa dürfte daher zumindest vorerst eher weiter wachsen als schrumpfen.
Diese dramatische Entwicklung hat vielfältige wirtschaftliche, soziale und politische Auswirkungen. Eine häufig übersehene Auswirkung liegt aber auch in der Fähigkeit zur Bekämpfung des Klimaschutzes. Ein erster Punkt ist in diesem Zusammenhang am einfachsten zu erkennen.
Je größer die Wirtschaftskraft eines Landes ist, desto leichter fällt es diesem Land, die mit der Transformation einhergehenden sozialen Härten abzufedern. Das gilt zunächst im Inland, wenn Menschen unterstützt werden, deren Einkünfte als Folge des Klimawandels zum Beispiel durch den Verlust von Arbeitsplätzen in Gefahr geraten.
Große Bedeutung privater Investitionen
Es gilt umso mehr in der Unterstützung derjenigen Länder wie Bangladesch oder Somalia, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, diese Folgen aber nicht allein schultern können. Je höher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes liegt, desto einfacher ist es für dieses Land, die Konsequenzen des Klimawandels im Inland tragen und andere Länder bei ihren Anstrengungen unterstützen zu können.
Jörg Rocholl ist überzeugt, dass der Klimawandel nur global gelöst werden kann.
Ein zweiter Punkt ist von genauso großer Bedeutung. Hohe Investitionen vor allem privater Natur sind notwendig, um die Transformation voranbringen zu können. Diese privaten Investitionen werden Einzelpersonen wie Unternehmen umso leichter fallen, je größer ihre wirtschaftliche Kraft und damit ihre Risikotragfähigkeit ausfällt.
Letztere ist gerade deshalb von Bedeutung, weil viele der zu entwickelnden technologischen Innovationen keine Selbstläufer sein werden, sondern mit erheblichen Risiken, aber umso größeren Chancen verbunden sein werden. In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass gerade für Venture-Capital und Corporate Venture-Capital der Matthäus-Effekt gilt, nach dem Erfolg weiteren Erfolg nach sich zieht.
So verwundert es nicht, dass die größten und erfolgreichsten amerikanischen Plattformunternehmen zu den größten Bereitstellern von Corporate Venture-Capital gehören. Sie können damit innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens nach neuen Ideen suchen und von deren wirtschaftlicher Entwicklung profitieren sowie spannende junge Unternehmen aufkaufen, auch in Europa.
Das gilt umso mehr für den Bereich der erneuerbaren Energien, in dem eine große und weiter steigende Nachfrage herrscht – die Nachfrage im Gegensatz zu anderen Geschäftsideen nicht noch aufgebaut werden muss.
Wirtschaftsleistung trotz Transformation
Ein dritter Punkt ist besonders wichtig im Kontext der unabdingbar globalen Herausforderung des Klimawandels. Nur Länder, die es verstehen, ihre Wirtschaftsleistung auch durch die Phase der Transformation hinweg zu wahren und zu mehren, können für andere und gerade für ärmere Länder Vorbilder darin sein, dass sich die Transformation lohnt und man diese angehen sollte.
Andersherum werden andere Länder der Transformation nicht folgen, wenn sie negative wirtschaftliche Auswirkungen befürchten müssen oder sogar von der Abwanderung energieintensiver Wirtschaftszweige aus Europa profitieren können. In diesem Fall könnte Europa zwar für sich eine positive Emissionsbilanz ziehen – das wäre aber ein klassischer Pyrrhussieg mit keinen und im Zweifel sogar negativen Folgen für das Klima.
Der Klimawandel kann nur global gelöst werden, und die Erfolgsaussichten dafür sind umso größer, je mehr überzeugte Mitstreiter sich der Transformation anschließen. Dafür braucht es Vorbilder und nicht nur Vorreiter.
Wie lange reicht die Erde noch?
Was bedeutet das für Europa? Europa ist in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit deutlich hinter die USA zurückgefallen und steht vor weiteren großen ökonomischen Herausforderungen. Eine Klimapolitik, die diese Entwicklung außer Acht lässt, ist zum Scheitern verurteilt.
Sie sollte sich vielmehr darauf besinnen, wie sie als Vorbild für andere Länder dienen kann, indem sie die Transformationen sichtbar mit einer Wahrung und Mehrung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbindet.
Der Autor:
Jörg Rocholl ist Präsident der European School of Management and Technology Berlin.
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