Gastkommentar – Homo oeconomicus: Investoren-Schiedsgerichte konterkarieren Umweltschutz

Die Firma ist auf Schatzsuche unter der Meeresoberfläche spezialisiert.
Investitionsverträge und Schiedsfahren beeinträchtigen die Bereitschaft und Fähigkeit von Staaten zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Deshalb stehen sie in der Kritik. Zu Recht.
Denn effektive Umweltschutzmaßnehmen beeinträchtigen oftmals die Rentabilität bestimmter Aktivitäten. Wenn Investoren, die an solchen Aktivitäten beteiligt sind und dafür hohe Entschädigungen einklagen können, entsteht für Regierungen der Anreiz, ihre Maßnahmen eher kosmetisch als effektiv zu gestalten.
Das ist alles andere als ein theoretisches Problem. Im aktuellen Fall Odyssey Marine gegen Mexiko geht es um ein Projekt eines Unternehmens zum Abbau von Phosphatvorkommen unter der Meeresoberfläche vor einer Küste.
Solche Vorkommen gibt es viele. Es hat aber noch nie eine kommerzielle Produktion stattgefunden, da die Wirtschaftlichkeit eine enorme Herausforderung darstellt, fast so sehr wie die Umweltauswirkungen eines Ausbaggerns riesiger Gebiete des Meeresbodens.
Es hat zwar noch niemand herausgefunden, wie man diese Ressourcen gewinnbringend ausbeuten kann. Aber das System der Schiedsgerichtsbarkeit offenbart durchaus, wie man eine Regierung auf Schadensersatz dafür verklagen kann, dass man es nicht tun darf.
Wohl hohe Rendite für den Kläger
Der Fall Odyssey Marine gegen Mexiko zeigt, dass Anwälte in internationalen Schiedsverfahren aus praktisch jedem beliebigen Sachverhalt eine Klage konstruieren können, sofern eine staatliche Maßnahme im Spiel ist.

Juan Carlos Boué ist Politikwissenschaftler und Anwalt der internationalen Anwaltskanzlei Curtis, Mallet-Prevost, Colt & Mosle in London.
In diesem Fall ist es die Verweigerung einer Umweltgenehmigung – und der Fall zeigt, dass es leicht ist, Wirtschaftsexperten zu finden, die auf der Grundlage reiner Spekulation Milliardengewinne errechnen, die das Projekt angeblich eingebracht hätte.
Eher ungewöhnlich für ein internationales Schiedsverfahren ist, dass die wichtigsten Schriftsätze in diesem Fall öffentlich zugänglich sind. Aus ihnen geht hervor, dass sich die geforderte Entschädigung zum 4. September 2020 auf 2,3 Milliarden US-Dollar belief. Davon sind 981 Millionen Dollar Zinsen, da die Forderung mit einem Zinssatz von 14 Prozent aufgezinst wird.


Viele Zahlen in den Schriftsätzen wurden allerdings geschwärzt, darunter auch der Betrag, den der Kläger angeblich investiert hat. Es ist daher nicht möglich, die Rendite zu berechnen, die der Kläger mit einer Zuerkennung dieser Größenordnung – oder auch nur der Hälfte davon – erzielen könnte. Aber man kann mit Sicherheit sagen, dass sie spektakulär hoch wäre.
Die jüngere Geschichte der Investoren-Schiedsgerichtsbarkeit hat durchaus Beispiele für solche absurden Urteil zu bieten: In der Rechtssache Al-Kharafi wurde einem Kläger, der fünf Millionen Dollar in ein durch die libysche Revolution gestörtes Hotelprojekt investiert hatte und zwei Milliarden Dollar Schadensersatz forderte, 900 Millionen Dollar an entgangenem Gewinn und Zins zugesprochen.
Mehr: Acht Orte, an denen die Klimakrise schon jetzt die Welt verändert





