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Gastkommentar – Homo oeconomicusKlimaurteil: Das Bundesverfassungsgericht widerspricht sich selbst

Das Gericht legt zu optimistische Berechnungen für die CO2-Obergrenzen zugrunde. So sind die langfristigen Klimaziele nicht zu schaffen, moniert Helge Peukert. 07.05.2021 - 12:59 Uhr Artikel anhören

Helge Peukert ist Professor für Plurale Ökonomik an der Universität Siegen.

Foto: Universität Siegen

Die Begeisterung Umweltengagierter über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ist auf den ersten Blick verständlich. Das Gericht hat das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens und eine langfristige Freiheitssicherung quasi verfassungsrechtlich verankert. Die Regierung hat schnell mit einer Nachbesserung des Gesetzes reagiert und plant nun eine CO2-Reduktion um 65 statt 55 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität schon ab 2045.

Ein Blick in die Details des Urteils, dessen Vorgaben die Nachbesserung folgt, offenbart Widersprüche, wie sie für die Klimapolitik typisch sind. Ohne Beschönigung werden der Stand der Wissenschaft referiert. Das Gericht erkennt an, dass die ökologischen Gefährdungen bei über 1,5 Grad Erderwärmung gut belegt und unbedingt zu vermeiden sind.

Demnach müsste bereits 2021 Klimaneutralität in Deutschland erreicht werden und nicht bis 2030 nur eine Emissionsminderung um 55 Prozent im Vergleich zu 1990, wie laut Klimagesetz bislang vorgesehen. Denn in Deutschland sind wir, was im Urteil nicht zur Sprache kommt, empirisch laut Deutschem Wetterdienst schon bei zwei Grad Erwärmung angelangt.

Wie können die Richter dann aber die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um lediglich gut die Hälfte oder auch knapp zwei Drittel wie im Reformvorschlag bis 2030 für verfassungskonform erklären? Wie können sie Nachbesserung zwingend nur für Zwischenziele und geplante Maßnahmen nach 2030 einfordern?

Es kann nicht sein, dass die völlig unzureichende Anpassung des Plans durch die Regierung den Unterschied zwischen verfassungswidrig oder verfassungskonform macht.

Die Richter argumentieren, dass hinsichtlich des CO2-Restbudgets große Unsicherheit bestehe und es auch weniger schlimm kommen könne. Insofern seien die Minderungsziele des Gesetzes nicht offenkundig verfassungswidrig. Sie erwähnen aber mehrmals, dass das tatsächliche weltweite Restbudget auch mehrere Hundert Milliarden Tonnen kleiner sein könnte.

Eine wirtschaftliche Vollbremsung ist nötig

Dann stünde womöglich auch in Deutschland nur ein deutlich geringeres Restbudget zur Verfügung. Die optimistische Sicht der Richter widerspricht eklatant dem Vorsichtsprinzip.

Laut Sachverständigenrat für Umweltfragen, auf dessen Gutachten sich die Richter auch beziehen, stehen Deutschland bei weltweit großzügig zugelassener Erderwärmung von 1,75 Grad noch 6,7 Milliarden Tonnen zu. Und das nur, wenn man jedem Erdenbürger ein gleiches Emissionsbudget zuspricht, was angesichts der früheren Emissionsschuld der Industrieländer nicht selbstverständlich ist.

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Der Jahresausstoß Deutschlands beträgt rund 800 Millionen Tonnen. Wir müssten also nach dieser Rechnung nicht 2045, sondern in sieben Jahren klimaneutral sein. Das ist im Rahmen unseres Wirtschaftswachstumsmodells unmöglich. Ohne eine Vollbremsung und den Übergang zu einer Postwachstumsökonomie ist die maximal akzeptable Erderwärmung nicht mehr zu schaffen.

Mehr: Bürger begehren auf für mehr Klimaschutz – und wählen unorthodoxe Wege.

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