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Gastkommentar – Homo oeconomicusStaatsschulden sind keine Wachstumsbremse

Herausgeber von Journals publizieren häufig Aufsätze mit statistisch abgesicherten Effekten. So werden Regierungen allerdings zum Entschulden animiert, beklagt Philipp Heimberger. 26.04.2022 - 11:51 Uhr Artikel anhören

Der Ukrainekrieg stellt europäische Länder vor weitere finanzielle Herausforderungen.

Foto: dpa

Um Haushalte und Unternehmen zu stützen, lancierten die Regierungen in Europa enorme Ausgabenprogramme. Das Staatsschuldenniveau stieg kräftig an, auch in Deutschland. Mit dem Ukrainekrieg folgt der nächste Schock, der zu großen Ausgabenplänen führt; diesmal insbesondere für Rüstung und den Umbau der Energieversorgung. Wird der Anstieg des Staatsschuldenniveaus eine zukünftige Wachstumsbremse sein?

Die Ökonomen Carmen Reinhart und Ken Rogoff veröffentlichten 2010 ein Papier mit dem Ergebnis, dass eine Staatsschuldenquote von mehr als 90 Prozent der Wirtschaftsleistung mit deutlich geringeren Wachstumsraten einhergeht.

In Europa beriefen sich Entscheidungsträger und -trägerinnen wiederholt auf Reinhart und Rogoff, um Sparpolitik zu begründen: Höhere Staatsschulden sind schlecht fürs Wachstum! Ungünstig nur, dass der Doktorand Thomas Herndon im Jahr 2013 herausfand: Das Ergebnis einer „magischen“ Schuldengrenze bei 90 Prozent ist gar nicht haltbar, wenn man die Daten- und Auswertungsfehler von Reinhart und Rogoff korrigiert.

Aber da war der Austeritätsgeist längst aus der Flasche – mit verheerenden Auswirkungen: Denn die Sparpolitik ließ in mehreren Euro-Ländern die Wirtschaft so stark einbrechen, dass sich die Schuldentragfähigkeit sogar verschlechterte.

Doch auch nach Reinhart und Rogoff beschäftigten sich zahlreiche Forscher und Forscherinnen weiterhin mit der Frage, ob höhere Staatsschuldenquoten doch das Wachstum bremsen. Beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank veröffentlichte Papiere stützen die These eines negativen Effekts höherer Staatsschuldenquoten auf das Wachstum. Dies gilt insbesondere ab dem schon einmal diskreditierten Schwellenwert von rund 90 Prozent.

Fixierung auf negative Wachstumseffekte erhöhter Staatsschulden wäre falsch

Ich habe deshalb die bestehende Fachliteratur systematisch neu ausgewertet. Es zeigt sich, dass der Eindruck, höhere Staatsschuldenquoten seien eine Wachstumsbremse, vor allem daher rührt, dass Herausgeber von ökonomischen Fachzeitschriften stärker geneigt sind, Aufsätze mit statistisch abgesicherten Effekten zu publizieren als solche, die keine solchen Effekte zeigen.

Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).

Foto: Handelsblatt
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Papiere, die zeigen, dass es negative Wachstumsresultate gibt, werden also einfacher veröffentlicht als solche, laut denen solche Effekte nicht nachweisbar sind. Außerdem widersprechen meine Ergebnisse klar einem Schwellenwert in der Staatsschuldenquote, ab dem das Wachstum zwangsläufig sinkt.

Eine Fixierung auf negative Wachstumseffekte erhöhter Staatsschulden wäre falsch. Zusätzliche Ausgaben, welche die deutsche Regierung nun auf den Weg bringt, um die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren und den Schock gesamtwirtschaftlich abzufedern, mögen Budgetdefizit und das Staatsschuldenniveau kurzfristig erhöhen. Sie sind allerdings keine langfristige Wachstumsbremse.

Mehr: Wie einige EU-Südstaaten immer tiefer in die Verschuldung rutschen – und andere sich befreien können.

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