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Asia TechonomicsGeliefert in zehn Minuten – Warum das Modell in Indien läuft

Im Westen sind viele Quick-Commerce-Anbieter gescheitert, in Indien boomen sie. Die lokalen Marktführer zwingen auch Amazon zum Umdenken. Doch zum Erfolg gehört auch eine andere Wahrheit.Mathias Peer 22.10.2025 - 17:12 Uhr Artikel anhören
Blinkit-Lieferant: Schnell an der eigenen Haustür. Foto: picture alliance / NurPhoto

Bangalore. Zwei Dosen Cola, ein Protein-Shake und eine Packung Einwegrasierer: Meine Bestellung über den Lieferdienst Blinkit in der indischen Tech-Metropole Bangalore klingt nicht gerade spektakulär – am Ende lässt sie mich aber fast sprachlos zurück.

Das liegt aber nicht am Inhalt des Pakets, das mir ein junger Mann bis an meine Wohnungstür im vierten Stock bringt, sondern an der Geschwindigkeit: Gerade einmal vier Minuten und 53 Sekunden nachdem ich meine Bestellung abgeschickt habe, kommt der Lieferant aus dem Aufzug.

Auch in Deutschland versuchten sogenannte Quick-Commerce-Anbieter wie Gorillas und Getir mit minutenschnellen Lieferungen zu punkten – und scheiterten angesichts hoher Verluste. In Indien hingegen boomt das Unter-zehn-Minuten-Lieferversprechen. Allein Blinkit verzeichnet nach eigenen Angaben mehr als 16 Millionen Nutzer, die mindestens einmal im Monat auf der Plattform einkaufen.

Neben dem Marktführer drängen sich eine Reihe von Wettbewerbern um das Shopping-Segment, das Marktforschern zufolge in dem Land in den kommenden zehn Jahren ein Umsatzvolumen von 100 Milliarden Dollar erreichen könnte.

Das enorme Wachstum der Hochgeschwindigkeitslieferanten bringt auch alteingesessene E-Commerce-Anbieter wie Amazon zum Umdenken. Das US-Unternehmen begann in Bangalore Ende vergangenen Jahres unter dem Namen Now einen Pilotversuch für einen Zehn-Minuten-Lieferdienst. Im Juni wurde daraus ein reguläres Angebot, das kurz darauf auch auf die Hauptstadt Neu-Delhi und seit September auch auf die Finanzmetropole Mumbai ausgeweitet wurde.

iPhones und Goldmünzen in weniger als zehn Minuten

Bei Blinkit finden Kunden – wie auch bei Konkurrenten wie Zepto oder Instamart – eine umfangreiche Auswahl: Es gibt Obst und Gemüse, Fleisch, Eier, Butter und Getränke sowie Körperpflegeprodukte – im Prinzip alles, was man auch in einem normalen Supermarkt kaufen kann. Hinzu kommen auch Sonderangebote wie Goldmünzen oder Elektronikartikel wie Kopfhörer, Staubsauger, Bügeleisen und das neue iPhone – alles zustellbar in weniger als zehn Minuten.

Dass das Lieferversprechen tatsächlich eingehalten wird, überrascht auf den ersten Blick. Denn Indien ist normalerweise nicht gerade ein Land, in dem man es eilig haben sollte: In Städten wie Bangalore stecken Pendler täglich stundenlang im Stau, Fernzüge kommen oft mehrere Stunden zu spät, und Behördengänge können sich schon mal über Wochen hinziehen. Die Quick-Commerce-Anbieter setzen dem die ultimative Bequemlichkeit entgegen. Fürs Abendessen auch nur eine Zutat vergessen? Kein Problem – die Lieferung kommt schon an, bevor die Pfanne richtig heiß ist.

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien. Foto: Klawe Rzeczy

Die logistische Meisterleistung gelingt den Unternehmen mithilfe Hunderter über das Stadtgebiet verteilter sogenannter Dark Stores, in denen die Produkte gelagert werden. Blinkit hat davon derzeit 1800 und will die Zahl bis März 2027 nahezu verdoppeln. Von den Dark Stores starten Zusteller zu Kunden, die in einem Zehn-Minuten-Umkreis leben. Mit ihren Mopeds schlängeln sie sich auch durch dichten Verkehr.

Dass die Lieferung am Ende doch mal länger dauert als die versprochenen zehn Minuten, kommt je nach Wohnort durchaus auch vor – erstaunlich oft wird die Marke aber auch klar unterboten. Bei einem der Anbieter liegt der Zustellrekord bei drei Minuten und 21 Sekunden. Zum Vergleich: Selbst im technologisch oft führenden China benötigen die Schnellzusteller in der Regel eine halbe Stunde.

Analysten sehen Anbieter kurz vor der Profitabilität

Allerdings: So wie die im Westen nach einem Hoch in der Coronapandemie gescheiterten Anbieter machen auch die indischen Quick-Commerce-Firmen immer noch Verluste. Doch auf dem Subkontinent ist eine Trendwende in Sicht: Analysten erwarten, dass Blinkit – ein Teil des börsennotierten Unternehmens Eternal – ab März kommenden Jahres profitabel sein könnte. Andere Anbieter könnten in wenigen Jahren so weit sein.

Das Vertrauen der Investoren bleibt jedenfalls hoch: Blinkit-Konkurrent Zepto gab erst vergangene Woche bekannt, etwa eine halbe Milliarde Dollar an Kapital eingesammelt zu haben. Die Bewertung des Unternehmens liegt nun bei sieben Milliarden Dollar.

Es gibt mehrere Gründe, die die Annahme rechtfertigen, dass das Geschäftsmodell im Gegensatz zu seinem Scheitern in vielen europäischen Städten nachhaltig funktionieren könnte. Indiens Metropolregionen sind deutlich dichter besiedelt – Bangalore hat doppelt so viele Einwohner wie Berlin, Hamburg und München zusammen. Das ermöglicht den Anbietern hohe Skalenerträge. Die Bevölkerung ist zudem jung und digitalaffin – das Bezahlsystem UPI, das in den Großstädten so gut wie jeder nutzt, macht Transaktionen extrem einfach.

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Zum wirtschaftlichen Erfolg gehört aber auch eine andere Wahrheit: Möglich ist er vor allem deshalb, weil die Menschen dahinter – Zusteller ebenso wie Lagerarbeiter – nicht gerade viel verdienen. Monatseinkommen von unter 200 Euro sind keine Seltenheit. Immer wieder protestierten Quick-Commerce-Mitarbeiter in der Vergangenheit auch gegen den nicht ungefährlichen Druck zur Schnelligkeit.

Als Kunde der Services ist mein Einfluss darauf leider begrenzt. Wenn mir der Komfort von Blinkit & Co. wichtig ist, dann ist für mich aber ein Punkt zwingend: ein gutes Trinkgeld für den Fahrer, der meine Bequemlichkeit möglich macht.

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