Lars Feld: Die Lockerung der EU-Fiskalregeln ist ein Spiel mit dem Feuer
Nach den Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat zur Änderung des Grundgesetzes vom 18. März 2025 und 21. März 2025 schien die deutsche Finanzpolitik im Überschwang medialer Euphorie im In- und Ausland endlich von den verhassten Fesseln der Schuldenbremse befreit. Bund und Länder, so die Vorstellung, könnten nun ihren fiskalischen Spielraum nutzen, um die Verteidigungsausgaben massiv zu steigern und die marode deutsche Infrastruktur auf Vordermann zu bringen.
In der Tat ist die Schuldenbremse dadurch löchrig geworden. Die Verteidigungsausgaben, einschließlich der Ausgaben für Zivil- und Bevölkerungsschutz, für die Nachrichtendienste sowie die Hilfen für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, sind zukünftig von der Schuldenregel ausgenommen. Zudem steht ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur zur Verfügung.
Schließlich können sich die Länder nun in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) statt des zuvor geltenden strukturellen Haushaltsausgleichs verschulden. Ohne weitere Restriktionen, wenn Bund und Länder also tatsächlich in die Vollen gehen, könnte sich daraus ein Anstieg der Staatsschuldenquote auf bis zu 90 Prozent des BIP in zehn Jahren ergeben.
Ohne weitere Restriktionen – das stellt zunächst auf die Fähigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden ab, vorgesehene Ausgaben tatsächlich zu realisieren. Planung und Vollzug in den öffentlichen Haushalten fallen regelmäßig auseinander, insbesondere bei öffentlichen Investitionen und der Beschaffung militärischen Geräts. In der Vergangenheit konnten die Haushälter und Kämmerer darauf bauen, dass ein Konsolidierungseffekt im Vollzug mit höheren geplanten Investitionsausgaben schon eingebaut war. Der zögerliche Mittelabfluss ist das Ergebnis komplizierter Genehmigungsverfahren und der Kapazitätsbeschränkungen in den Verwaltungen und der Bauwirtschaft.
Von Beginn an war zudem klar, dass die Regeln des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU eine weitere Beschränkung für die Verschuldungsmöglichkeiten Deutschlands bedeuten würden. Folgerichtig unternahm Bundeskanzler Scholz einen Vorstoß zur erneuten Reform der EU-Fiskalregeln auf dem Sondergipfel des Europäischen Rats Anfang März. Die Verteidigungsausgaben sollten in Analogie zur Lockerung der Schuldenbremse auf EU-Ebene ausgenommen werden. Die europäischen Partner lehnten dies ab – einerseits, weil sie nicht gleich nach einem Jahr in eine erneute Reformdiskussion eintreten wollten, andererseits, weil einige Mitgliedstaaten und die Kommission gemeinsame europäische Schulden bevorzugen.
Die Anleihemärkte sind in Aufruhr
Insofern überrascht der neue Vorstoß zur Reform der Schuldenbremse aus dem SPD-Lager nicht. Völlig ausgeblendet wird, dass das Hauptproblem der Finanzpolitik in der EU nicht in zu geringen Staatsausgaben zu suchen ist. Der Grund, warum Deutschland in der vergangenen Legislaturperiode so viel an einer Verschärfung der EU-Fiskalregeln lag, findet sich vielmehr in der übermäßigen Verschuldung der Mitgliedstaaten. Keineswegs ist die Staatsverschuldung im Euro-Raum unproblematisch. Die Anleihemärkte sind angesichts der amerikanischen Zollpolitik und einer befürchteten protektionistischen Abschottung der USA in Aufruhr.
Die wieder gesunkenen Zinsen für deutsche Staatsanleihen und für die Anleihen im Euro-Raum sind das Ergebnis der noch immer bestehenden Rolle Deutschlands als sicherer Hafen für Anleger. Hingegen schafft es Frankreich nicht, seine aus dem Ruder laufenden Staatsausgaben unter Kontrolle zu bringen. Das französische Defizit steigt unaufhaltsam. Italien kann hingegen seine Staatsschuldenquote wenigstens stabilisieren, was angesichts ihrer Höhe aber nur ein leichter Trost ist. Eine erneute Staatsschuldenkrise ist nicht ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund auf eine Lockerung der EU-Fiskalregeln abzuzielen, ist ein Spiel mit dem Feuer. Die Aufhebung der von Deutschland in die Reform der EU-Fiskalregeln hineinverhandelten Sicherungen zur Stärkung der Verschuldungsresilienz wäre fatal. Insbesondere muss das Erfordernis einer Mindestreduktion des strukturellen Primärdefizits um 0,25 des BIP, wenn das strukturelle Finanzierungsdefizit 1,5 Prozent des BIP übersteigt und die Staatsschuldenquote über 60 Prozent des BIP liegt, erhalten bleiben.
Nur dadurch wird es möglich sein, die Staatsverschuldung im Euro-Raum auf ein nachhaltiges Niveau zu reduzieren. Eine höhere Verschuldung für die Verteidigung wird die EU mit der Ausnahmeregel des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowieso ermöglichen.