EU-Kolumne: Weber gegen von der Leyen: Zwei Deutsche streiten um die Vorherrschaft in Brüssel
Weber ist derzeit Fraktions- und gleichzeitig Parteivorsitzender der Europäischen Volkspartei.
Foto: IMAGO/NurPhotoDer zentrale Machtkampf in Brüssel spielt sich zwischen zwei Deutschen ab, die beide aus der gleichen Parteienfamilie stammen: Manfred Weber, CSU-Mitglied und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), agiert immer offener gegen die Politik von Ursula von der Leyen, CDU-Mitglied und Chefin der EU-Kommission.
Zuletzt stachelte Weber seine Leute im Europaparlament auf, gegen eine Resolution zu stimmen, die von der Leyens industriepolitischen Kurs stützen sollte. Dabei wurden dort alle Punkte erwähnt, die der EVP in der Debatte wichtig sind. Die Abgeordneten hatten danach Mühe zu erklären, was ihnen an dem Text nicht passte.
Resolutionen wie diese haben kaum praktische Relevanz. Umso mehr wurde das Manöver als Symbol gedeutet, dass Weber vorhat, von der Leyen weiter unter Druck zu setzen.
Weber hat zwei legitime Anliegen. Erstens sind er und viele EVP-Abgeordnete mit der Klimapolitik der EU-Kommission nicht einverstanden. Das Verbot von Verbrennungsmotoren, enge Vorschriften für grünen Wasserstoff und immer schärfere Vorgaben für die Industrie sind das Gegenteil dessen, was die Konservativen für richtig halten. Hinzu kommen Vorschläge zu Lieferketten und Abgasnormen, die aus Sicht der EVP vor allem die unternehmerische Freiheit einschränken.
Vieles davon ist vom sozialdemokratischen Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans geprägt und von Frankreichs liberalem Präsidenten Emmanuel Macron, dem von der Leyen ihr Amt zu verdanken hat. Nur wenige CDU-Abgeordnete sehen von der Leyen als eine von ihnen an.
Christoph Herwartz, Korrespondent im Handelsblatt-Büro in Brüssel, analysiert Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: herwartz@handelsblatt.com
Foto: HandelsblattZweitens kämpft Weber auch um Einfluss für die europäischen Parteienfamilien und für das Europaparlament bei der Besetzung der Kommission nach der Europawahl. 2014 zogen die EU-Parteien zum ersten Mal mit eigenen Spitzenkandidaten in den Europawahlkampf. Doch nach der Wahl 2019 einigten sich die Staats- und Regierungschefs dann auf von der Leyen, die sich an diesem Wettbewerb gar nicht beteiligt hatte.
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs nach der Wahl 2024 wieder nicht um die Wünsche der Parteien scheren, wäre das ein Rückschlag für all jene, die Europa demokratischer machen wollen und von länderübergreifenden Wahllisten träumen.
Giorgia Meloni soll helfen
Der Zeitpunkt ist allerdings denkbar ungünstig. Wenn die EVP von der Leyen als Spitzenkandidatin nominiert, hat sie beste Chancen, sich damit durchzusetzen. Weber deutete aber kürzlich an, sich stattdessen Roberta Metsola als Spitzenkandidatin vorstellen zu können.
Mögliche Konkurrentinnen im Rennen um die Spitzenkandidatur der EVP.
Foto: APDie Malteserin ist seit einem Jahr Präsidentin des Europaparlaments. Sie wird von vielen respektiert, fällt aber in Sachen Erfahrung und Bekanntheit weit hinter von der Leyen zurück. Sie ins Rennen um den Kommissionvorsitz zu schicken wäre aus Sicht der Parteilogik innerhalb der EVP vielleicht interessant, nach außen aber kaum zu vermitteln.
Ähnlich riskant wirkt Webers Werben um Bündnisse mit Parteien, die rechts der EVP stehen. In Italien regiert mit Giorgia Meloni eine Ministerpräsidentin, die sich in ihren ersten Monaten im Amt geschmeidig genug gibt, um nicht ständig als Postfaschistin aufzufallen. Auch den tschechischen Regierungschef Petr Fiala, dessen Partei ebenfalls rechtskonservativ ist, hält Weber offenbar für anschlussfähig.
Weber muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Partei nach rechts rücken zu wollen. Wenn er die EVP aber so zu neuer Größe führt, wird man es ihm danken. Gerade einmal acht der 27 EU-Mitgliedstaaten werden noch von EVP-Parteien regiert. Die größten unter ihnen sind Griechenland, Schweden und Österreich. Ein echtes Schwergewicht wie Italien fehlt.
Dass Weber sich wegen solcher Hintergedanken von der Kommissionspräsidentin abgrenzt, ist in der Politik ein normales Spiel. Allerdings gab es zuletzt viel Unmut in der eigenen Parlamentsfraktion und auch von CDU-Chef Friedrich Merz.
>> Lesen Sie hier: Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen will nicht aus der CDU austreten. Für die Partei markiert der Fall eine Zäsur im Umgang mit Rechten und der AfD.
Denn Webers Agieren wirkt auf die Kritiker nicht immer strategisch durchdacht, sondern von Rachegelüsten gegen von der Leyen getrieben. Als diese 2019 Kommissionspräsidentin wurde, hatte sich auch Weber Chancen auf das Amt ausgerechnet.
Hinzu kommen Vorwürfe wegen Webers Gehalt: Der EVP-Chef lässt sich genauso gut bezahlen wie seine Vorgänger, obwohl er anders als diese gleichzeitig das volle Gehalt eines Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament bezieht.