Gastkommentar - Global Challenges: Wie Trumps Schocktherapie seine MAGA-Bewegung spalten wird
In den reichen Ländern, womöglich sogar weltweit herrscht Einigkeit darüber, dass eine Welt in Aufruhr ein radikales Eingreifen erfordert. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump bekennt sich offen dazu.
Die Schocktherapie ist seine Lösung für jedes globale Problem, von Gaza, dem Iran bis hin zur Ukraine und dem Sudan. Trump schwingt Zölle wie ein Viehtreiber seinen Elektrostock und schockt jeden (Freund wie Feind), der sich seinen Forderungen nicht unmittelbar beugt. Angeblich wird dieser Ansatz die US-Wirtschaft stärken – er soll ein neues amerikanisches goldenes Zeitalter einleiten, die Nato auf Linie bringen, Indien vom Kauf russischen Öls abhalten und Chinas KI-getriebenen industriellen und militärischen Aufstieg eindämmen.
Die Kraft der giftigen Narrative
Aber es lohnt, zu fragen, wie Schockinterventionen enden. Die Antwort der Geschichte lautet: „schlecht.“ Das Problem ist, dass systemische politische Schocks giftige Narrative erzeugen, die mit der Zeit an Kraft gewinnen. Schnell entsteht der Verdacht, dass der „Schock“ durch eine Verschwörung verursacht wurde und dass ausländische Mächte daran beteiligt waren.
Die meisten der von Trump verkündeten „Deals“ sind geheim und wurden hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Dieselben Methoden wurden in Mitteleuropa und in der ehemaligen Sowjetunion angewandt, als der Kommunismus zerfiel. Die Programme von Michail Gorbatschow – Glasnost (Offenheit) und Perestroika (wirtschaftliche Liberalisierung) – zielten auf einen Systemwandel ab.
Ihre Umsetzung war jedoch notwendigerweise undurchsichtig, da das Ziel darin bestand, einen mächtigen, korrupten Status quo zu ersetzen. Ein gewisses Maß an Beteiligung derjenigen, die innerhalb des Systems standen, war jedoch unvermeidlich. Man benötigte etwa Teile der Geheimdienste, um Informationen über die Funktionsweise des alten Systems zu liefern. Dies hatte am Ende jedoch zur Folge, dass die Bemühungen in der Bevölkerung schlicht als korrupte Absprachen mit privilegierten Teilen des alten Apparats wahrgenommen wurden.
Das zweite problematische Narrativ betrifft die Beteiligung des Auslands. Bei den postkommunistischen Liberalisierungen war Deutschland aufgrund der schmerzhaften Erinnerungen an seine Verbrechen im Zweiten Weltkrieg ein praktischer Dämon. Ich kann mich gut erinnern, wie ich 1992 Moskau besuchte und mir Bilder gezeigt wurden, auf denen ein lächelnder Chef der Deutschen Bank Gorbatschow umarmte.
Wie reagiert die MAGA-Bewegung auf Trumps Maßnahmen ?
Was für Verschwörungstheorien wird Trumps Schocktherapie hervorbringen? Manches ist bereits erkennbar. Es wird einige Gewinner, aber auch viele Verlierer geben – nicht zuletzt, weil Trumps Bewegung „Make America Great Again“ (MAGA) mit einer technologischen Revolution zusammenfällt. In dem Maße, in dem die KI neue Beschäftigungsmuster schafft, werden große Teile der MAGA-Basis ihre Arbeitsplätze verlieren, und sie werden rasch ein Opfernarrativ entwickeln.
Trotz aller Bemühungen der US-Regierung, gegen den „Deep State“ vorzugehen, beschweren sich bereits einige Trump-Anhänger, dass er Kompromisse mit den Eliten des Establishments eingehe. Der Skandal um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und der Verdacht, Fakten würden hier durch die Regierung vertuscht, sind nur ein Teil des Problems.
Wie bei den postkommunistischen Umwälzungen arbeiten die Machthaber eng mit der internationalen Finanzwelt zusammen. Die Allianz der US-Regierung mit der Kryptobranche ist völlig offensichtlich; beharrlich wirbt Finanzminister Bessent für die Nutzung von Stablecoins zur Schuldenentlastung. Vor diesem Hintergrund werden Verschwörungstheorien die MAGA-Bewegung verzehren, sobald es einen Finanzskandal oder eine größere Krise gibt.
Zudem mangelt es der Regierung nicht an ausländischen Verstrickungen. Trumps bizarr unterwürfiges Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska hat einmal mehr Fragen zu den Beziehungen der beiden aufgeworfen. Viele fürchten nun, dass der US-Präsident versuchen wird, einen „Gebietstausch“ durchzusetzen, bei dem Russland die ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk erhält. In der Frage der Sicherheitsgarantien macht Trump den Europäern und Ukrainern für viele in der MAGA-Welt inzwischen zu viele Zugeständnisse.
Für Putin, der davon besessen ist, den Zusammenbruch des Sowjetimperiums rückgängig zu machen, sind die Lehren aus Russlands Schocktherapie eindeutig. Seine Propagandamaschinerie wird alle Möglichkeiten ausschöpfen und Andeutungen über Hinterzimmergeschäfte und ausländische Verbindungen verbreiten, um die Spaltung der US-Gesellschaft zu vertiefen. Das Gift der Polarisierung wird das US-System weiter zersetzen. Es ist Russlands Rache für die Rolle, die die USA angeblich bei der Destabilisierung der Sowjetunion gespielt haben.
Der Autor: Harold James lehrt Geschichte und Internationale Beziehungen an der Princeton University und ist Autor von The War of Words: A Glossary of Globalization (Yale University Press, 2021).
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