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GeoeconomicsWarum der Gipfel zur digitalen Souveränität in Berlin eine historische Chance ist

Europa kann seine Zukunft trotz internationaler Herausforderer noch selbstbestimmt gestalten – wenn es Alleingänge aufgibt und mit klarer Vision gezielt seine Wettbewerbsfähigkeit steigert.Daniela Schwarzer 08.11.2025 - 10:33 Uhr Artikel anhören
Daniela Schwarzer: Sie ist Vorständin der Bertelsmann Stiftung und verantwortet dort die Programme und Projekte zur Zukunft Europas sowie Demokratie und Zusammenhalt. Foto: Klawe Rzeczy, Bertelsmann Stiftung

Am 18. November treffen sich in Berlin auf Einladung Deutschlands und Frankreichs europäische Regierungschefs, EU-Kommissare, Gründer und CEOs etablierter Unternehmen, Forscher und Zivilgesellschaftsvertreter zum Digitalen Souveränitätsgipfel.

Der Gipfel ist weit mehr als nur eine weitere Konferenz: Er ist eine historische Chance, Europas digitale Zukunft doch noch selbst in die Hand zu nehmen, obwohl – und gerade weil – Tech-Giganten aus den USA und China mit gefährlicher Nähe zu politischen Entscheidern zurzeit übermächtig erscheinen.

Es geht beim europäischen Digitalgipfel um den Kern europäischer Selbstbestimmung, darum, wie Europa die Kontrolle über seine digitale Infrastruktur und Datenströme zurückerlangen kann und wie es seine Innovationskraft gezielt und schnell stärken kann – in einer Welt, in der Technologie bereits zur geopolitischen Waffe geworden ist.

Märkte sind fragmentiert, Lieferketten sind längst politisiert, rivalisierende Tech-Blöcke entstehen um die USA und China. Die USA haben Exportkontrollen für Hochleistungs-KI-Chips verschärft, China reagierte mit strengeren Auflagen für westliche Tech-Investitionen und Exporte seltener Erden.

Europa steht dazwischen – noch ohne digitale Souveränität, aber mit dem eindeutigen Interesse, Datenschutz, Offenheit und Sicherheit zu wahren. Denn wer digitale Infrastruktur und Daten kontrolliert, hat entscheidenden Einfluss auf Sicherheit, demokratische Öffentlichkeit und gesellschaftliche Stabilität.

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Für Europa geht es nicht um eine abrupte Abkopplung, sondern um die Fähigkeit, technologische Grundlagen selbst oder mit verlässlichen Partnern zu gestalten: eigene Cloud-Infrastrukturen, sichere Chips und KI-Systeme, die europäischen Werten entsprechen. Wir verlieren unseren „European Way of Life“, wenn wir im digitalen Bereich die Kontrolle nicht zurückgewinnen.

Die EU startet nicht von null. Mit dem European Chips Act soll bis 2030 ein Anteil von 20 Prozent an der weltweiten Chipproduktion in Europa gesichert werden. Deutschland und Frankreich treiben gemeinsame Open-Source-Initiativen voran. Der Digital Services Act und der Digital Markets Act sind machtvolle Instrumente, um Tech-Giganten in die Schranken zu weisen – vorausgesetzt, sie werden konsequent umgesetzt. Der AI Act setzt erstmals weltweit verbindliche Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz.

Europas Stärken verkümmern

Doch bislang verhindern mangelnde Finanzierung, Bürokratie, Fragmentierung und fehlende Skalierung, dass aus Konzepten tatsächliche Souveränität wird – und Europa seine Stärken, von industrieller Exzellenz über Datenreichtum bis hin zu Vertrauensvorschuss im globalen Wettbewerb, gezielt nutzt.

Der Gipfel ist die Chance, das zu ändern. Als Gastgeber verdeutlichen Berlin und Paris damit, dass digitale Resilienz nur als gemeinsames europäisches Projekt in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission gelingen kann.

Konkrete Erfolge sind greifbar, etwa bei der Stärkung koordinierter, langfristiger Investitionslogiken, die operative Exzellenz und Resilienzlücken adressieren. So könnte künftig ein skalierter europäischer Sovereign Tech Fund kritische Open-Source-, Hardware- und Cybersicherheitskomponenten fördern, die das Fundament digitaler Vertrauenswürdigkeit bilden.

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Die Mitgliedstaaten könnten zudem die öffentliche Beschaffung gezielt bündeln und als „Ankerkunden“ für europäische Anbieter agieren, um Interoperabilität und messbare Sicherheitsleistungen durch zertifizierte europäische Lösungen zu belohnen. Den Europäischen Binnenmarkt sollte die EU mittelfristig durch einen „Buy European Act“ als Innovationsmotor nutzen: einen Beschaffungsrahmen, der europäische Kräfte bündelt, europäischen Lösungen Vorrang gibt und so Innovationen fördert.

Wenn innerhalb der EU grenzüberschreitend Industrie, Start-ups, Verwaltungen und Forschung enger zusammenarbeiten, wird dies nicht nur die europäische Tech-Industrie stärken, sondern könnte auch Investitionen aus dem Ausland anziehen, die wiederum helfen, Innovationen schneller in den Markt zu bringen.

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Die europäischen Regierungen sollten zudem bestehende technologische Abhängigkeiten strategisch managen und sich mit der Kommission in Import-, Export- und Sicherheitsfragen eng austauschen. Angesichts der geopolitischen Dynamik sollte die EU zudem eine Einheit für Technologiediplomatie aufbauen, die europäische Positionen in der G7 sowie in internationalen Standardsetzungsgremien wie ISO oder ETSI koordiniert.

Der Gipfel in Berlin ist somit ein Testfall für Europas Fähigkeit, Politik, Industrie und Innovation europaweit zu verzahnen, in einer Welt, in der Technologie längst ein zentraler Machtfaktor ist. Gelingt es jetzt, konkrete strategische Schritte umzusetzen, stärkt das nicht nur technologische Resilienz und Souveränität, sondern sichert auch die Grundlagen für die wirtschaftliche Stärke und politische Unabhängigkeit Europas.

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