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Globale Trends Der politische CEO ist zum Helden und Heuchler verdammt

Topmanager und Unternehmer mischen sich immer öfter öffentlich in politische Streitfragen ein. Der Erwartungsdruck von Mitarbeitern, Kunden und Investoren lässt ihnen keine andere Wahl.
03.05.2021 - 09:13 Uhr 1 Kommentar
Russland: Warum Wladimir Putin die EU mehr fürchtet als die Nato Quelle: Klawe Rzeczy
Globale Trends

Handelsblatt-International-Correspondent Torsten Riecke analysiert jede Woche in seiner Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Sie erreichen ihn unter [email protected].

(Foto: Klawe Rzeczy )

Als Jeff Bezos zehn Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel spendete und sein Amazon-Konzern öffentlich gegen diskriminierende Wahlgesetze protestierte, war er ein Held. Als der Onlinegigant kürzlich mit üblen Methoden die Gründung einer Gewerkschaft in seinem Verteilzentrum in Alabama verhinderte, wurde Bezos als Heuchler gebrandmarkt.

Als Joe Kaeser öffentlich für Klimaschutz warb, gegen die AfD twitterte und sich für Flüchtlingshilfe starkmachte, war er ein Held. Als der frühere Siemens-Chef nach der russischen Besetzung der Krim mit Putin über Geschäfte plauderte und die Beteiligung seines Konzerns an einem australischen Kohlebergwerk verteidigte, war er in den Augen seiner Kritiker ein Heuchler.

„Vom Hero zum Zero ist es für einen CEO nur ein kleiner Schritt“, sagt Jörg Rocholl, Präsident der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. Die Gefahr, als Heuchler wahrgenommen zu werden, sei sehr groß. Insbesondere jetzt, da der Erwartungsdruck auf Topmanager und Unternehmer, in politischen Streitfragen klare Kante zu zeigen, enorm gestiegen sei. 86 Prozent von repräsentativ befragten Bürgern in 28 Ländern erwarten, dass sich der CEO öffentlich zu sozialen Fragen äußert. In Deutschland sind es mehr als drei Viertel.

Bislang sind hierzulande viele Topmanager dem Rat von Franz Haniel gefolgt und haben sich in öffentlichen Debatten schweigend weggeduckt. Das 66-jährige Oberhaupt der gleichnamigen Industriellenfamilie hatte vor zwei Jahren sinngemäß erklärt, der Chef könne durch öffentliche Einmischung nichts gewinnen, sondern nur verlieren. Das bedeutet jedoch keineswegs politische Abstinenz. Die deutschen Manager und Unternehmer nutzen lieber Kanzlerrunden und andere Hinterzimmer der Macht als die öffentliche Bühne, um ihre Meinung kundzutun.

„Schweigen ist heute keine Option mehr“, betont hingegen Jeffrey Sonnenfeld von der amerikanischen Eliteuniversität Yale. Die Managementkoryphäe hat gerade einen öffentlichen Aufruf mitorganisiert, in dem sich mehr als 100 CEOs gegen Wahlrechtbeschränkungen in den USA wenden.


Der Trend des politisch aktiven CEO schwappt nach Meinung Rocholls auch nach Europa herüber. Der ESMT-Chef definiert das Kürzel CEO anhand der „Stakeholder“, denen der moderne Chef verpflichtet sei; C stehe für Customer, E für Employees und O für Owner. Alle wollten heute wissen, für welche Werte ein Unternehmen stehe, was sein „Corporate Purpose“ sei.

Tatsächlich achten Kunden heute sehr genau darauf, unter welchen Bedingungen ihre Konsumgüter produziert werden und über welche Lieferketten sie zu ihnen gelangen. Vor allem für die Generation Z, also die in den 1990ern und frühen 2000ern Geborenen, ist das Image ihres Arbeitgebers ein wichtiges Kriterium bei der Jobwahl. Und internationale Kapitalgeber gehen bei ihren Anlageentscheidungen längst nach der ESG-Checkliste „Environment, Social, Government“ vor. Das hat am Wochenende sogar Warren Buffett zu spüren bekommen, als seine Investoren mehr über die Klimarisiken und die Bedeutung von Diversität bei Buffetts Anlagestrategie wissen wollten.


Dass der Druck der „Stakeholder“ wächst, macht den Job des CEOs manchmal unmöglich. Sind doch die Erwartungen oft sogar so gegensätzlich, dass eine konsistente Haltung ausgeschlossen scheint: Bei Energieversorgern mit Kohlekraftwerken drängen die Kapitalgeber auf einen klimaneutralen Kurswechsel, während die Mitarbeiter um ihre Jobs fürchten.

„Gegen Menschenrechtsverletzungen des Militärs in Myanmar lässt sich leicht Flagge zeigen, wenn das Gleiche im Riesenmarkt China geschieht, ist das schon weitaus schwieriger“, beschreibt Rocholl die moralische Zwickmühle in der C-Suite. Überhaupt zwinge der zunehmende Systemwettbewerb zwischen Demokratien und autoritären Regimen die Wirtschaftsführer immer häufiger dazu, politisch Farbe zu bekennen.


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Meinungsumfragen zeigen außerdem, dass das Vertrauensbarometer der Bürger für den eigenen Arbeitgeber regelmäßig höher ausschlägt als für die eigene Regierung. Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger erwarten, dass ihr Chef sich einmischt, wenn die Regierung die akuten Probleme nicht lösen kann. Etwas mulmig sollte einem schon zumute sein, wenn nicht gewählte Konzernchefs ihre wirtschaftliche Macht jetzt auch noch in politischen Einfluss ummünzen.

Zu beneiden sind Topmanager dennoch nicht. Für sie entsteht daraus ein doppeltes Dilemma: Sie können in öffentlichen Debatten nicht länger abtauchen und schweigen, gerade in einer Zeit, da die Wirtschaft politischer und die Politik wirtschaftlicher wird. Dafür ist der Erwartungsdruck aller „Stakeholder“ viel zu groß. Zugleich wird der Chef es kaum allen recht machen können. Selbst starke Unternehmerpersönlichkeiten wie Kaeser konnten dem Dilemma moralischer Zielkonflikte nicht entkommen.

Der CEO ist also dazu verdammt, Held und Heuchler zu sein, und kann sich nur der Kritik stellen und immer wieder die Beweggründe seiner Entscheidungen transparent offenlegen.

Mehr: Warum Corporate America den Aufstand probt

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1 Kommentar zu "Globale Trends: Der politische CEO ist zum Helden und Heuchler verdammt"

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  • Hat ein CEO ein allgemeinpolitisches Mandat und darf oder soll sich sogar in dieser Funktion als Repräsentant seines Unternehmens zu allen möglichen , die Öffentlichkeit interessierenden Themen äußern? Besser nicht ! Selbstbeschränkung ist eine Tugend. "Schuster bleib' bei deinen Leisten", könnte man auch sagen. Ein CEO hat weder das Mandat noch die Legitimation , sich zu Themen zu äußern, die keinen direkten Bezug zu seinem Unternehmen und dessen Aktivitäten haben. Denn weder die Aktionäre als Eigentümer des Unternehmens noch der Aufsichtsrat oder die Mitarbeiter(innen) haben ihm ein derartiges Mandat erteilt. Und wieso soll ein CEO eine besondere fachliche Kompetenz haben, zu umstrittenen Themen außerhalb des eigenen Unternehmens Stellung zu nehmen? Er spricht am Ende nur für sich selbst . Das steht ihm oder ihr natürlich frei wie jedem anderen Staatsbürger auch, aber bitte nicht unter Inanspruchnahme seiner Funktion als CEO. Als solcher kann er sich nur in den Fallstricken der Politik verheddern und läuft Gefahr, seinem Unternehmen dadurch mehr zu schaden als zu nutzen.

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