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Globale TrendsGemeinsam einkaufen statt Geld verschwenden: EU-Staaten müssen Sonderwünsche bei Rüstung abstellen

Weil sich die Europäer nicht auf effiziente Beschaffung von Waffen und Fahrzeugen einigen können, geht jede Menge Geld verloren. Davon profitiert nur die Rüstungslobby.Thomas Hanke 01.12.2022 - 11:23 Uhr Artikel anhören

Handelsblatt-Autor Thomas Hanke analysiert in der Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt.

Foto: Klawe Rzeczy

Deutschland wendet viel Geld auf für die „Zeitenwende“ hin zu besserer Verteidigung. Doch es geht zu langsam: Am Montag fand sogar ein „Munitionsgipfel“ statt, weil die Truppe nicht einmal mehr über genug Munition verfügt. Schwerer wiegt allerdings, dass Deutschland und andere EU-Staaten Milliarden an Euro verbrennen, weil sie rein national und nicht gemeinsam rüsten.
„Wenn jeder Mitgliedstaat seine Verteidigungsausgaben erhöht, indem er auf eigene Faust investiert, wird das Ergebnis eine Geldverschwendung sein, die bestehende Schwächen und unnötige Überschneidungen vervielfacht“, warnte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kürzlich.

Die Europäer wenden ungefähr die Hälfte der US-Ausgaben für Rüstung auf, erreichen damit aber nur zehn, bestenfalls 15 Prozent der amerikanischen Verteidigungskapazitäten, wies das Bonn International Center for Conversion (BICC) schon 2006 in einer Studie für das Europäische Parlament nach. Es werde zu wenig gemeinsam entwickelt, produziert und geordert.

16 Jahre später ist es nicht besser, sondern schlechter geworden: Der Anteil europäischer Projekte hat nicht zu-, sondern abgenommen, sagt die Europäische Rüstungsagentur EDA.
Die eine Armee will einen Schützenpanzer mit acht Sitzen, bei der anderen müssen es neun sein. Allein beim Hubschrauber NH 90 bringen acht EU-Kunden es auf 17 verschiedene Varianten.

Airbus als wichtigen Lieferanten stört das: „Wir sehen eine Vereinheitlichung als eine wesentliche Voraussetzung für effizientes Flottenmanagement.“ Doch die Regierungschefs pflegen den eigenen Sprengel, betonen die angebliche Wichtigkeit einer nationalen Rüstungsindustrie. Schildbürgerstreiche wie den, Munition für einen deutschen Panzer in der Schweiz fertigen zu lassen, die sie im Spannungsfall nicht rausrückt, verhindert das nicht.

Milliarden könnten sinnlos ausgegeben werden

„Wenn man den Weg der europäischen Kooperationen konsequent ginge, dürfte man sich nur nach der Frage richten: Wie bekommt der Steuerzahler das beste Ergebnis?“, sagt Max Muschler vom BICC. Dann müsste man sich auf jeweils ein Modell eines Waffensystems einigen, die nationalen Rüstungsindustrien würden schrumpfen. „Der Abbau müsste überall passieren, aber der Steuerzahler hätte den Vorteil“, argumentiert der BICC-Experte.

>>Lesen Sie hier: Durchbruch für Rüstungsprojekt FCAS – Milliarden für Testmodell von neuem Kampfjet freigegeben

Bleibt es dagegen bei der vorwiegend nationalen Beschaffung, dann könnten „25 bis 36 Milliarden Euro des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr sinnlos ausgegeben werden“, hat der Hamburger Konfliktforscher Michael Brzoska im Mai in einer Studie für Greenpeace errechnet. Inzwischen erwartet er eine etwas geringere Verschwendung, weil Deutschland wohl einen großen Teil der Mittel für fertige Produkte – F-35 Bomber und Chinook-Hubschrauber – aus den USA aufwenden wird.

Ein großer Teil des Sondervermögens für die Bundeswehr soll in Gerät amerikanischer Bauart fließen.

Foto: AP

Aber auf diese Weise wird es auch nichts mit der souveränen europäischen Verteidigung. Die käme voran, „wenn die Politik einen europäischen Hauptauftragnehmer benennen würde, der sich seine Zulieferer sucht“, argumentiert Brzoska. Das wäre ein Bruch mit dem bisherigen System.

Denn was bislang als europäische Kooperation firmiert, folgt dem Prinzip des „Juste retour“: Jedes Land will bei einem gemeinsamen Vorhaben exakt so viele Mittel an die eigene Industrie zurückfließen sehen, wie es aufwendet. Dadurch bleibt es bei Verschwendung und Doppelarbeit.

Verwandte Themen Deutschland Bundeswehr Europäische Union Rüstungsindustrie Airbus Greenpeace

Die Durchsetzungskraft der nationalen Lobbys ist paradox. Volkswirtschaftlich gesehen spielen die Rüstungsfirmen nur eine marginale Rolle. Selbst ein nationaler Champion wie Rheinmetall schafft es mit seinen fünf bis sechs Milliarden Umsatz pro Jahr nicht einmal unter die Top 100 der deutschen Wirtschaft. Arbeitsplätze in wirtschaftsschwachen Regionen, in denen die Firmen oft produzieren, bilden Experten zufolge das Pfund, mit dem sie politisch wuchern.

Deutschland und Europa werden nur dann mehr Sicherheit für ihre erhöhten Verteidigungsausgaben bekommen, wenn die Steuerzahler sich gegen die Milliardenverschwendung einsetzen.

Mehr: Schlechter aufgestellt als vor dem Ukrainekrieg – Warum der Ausbau der Bundeswehr stockt

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