Homo oeconomicus: Die Koalition braucht dringend einen finanzpolitischen Kompass

Ich habe die Sommerpause genutzt, um meine anstehenden Aufgaben zu sortieren und zu priorisieren. Einfach mal durchgehen, was alles ansteht, was man in den nächsten Wochen und Monaten angehen möchte. Ich fand das ausgesprochen hilfreich. Vielleicht wäre das ja auch eine Idee für die Bundesregierung?
Denn den Eindruck, dass dort gerade gut priorisiert wird, habe ich nicht. Ein aufschlussreiches Beispiel: Vergangene Woche hat die Bundesregierung angekündigt, künftig deutlich mehr Geld für die Filmförderung ausgeben zu wollen. Allein die Mittel für die Filmförderfonds sollen von derzeit 133 Millionen Euro auf 250 Millionen steigen, also eine knappe Verdopplung der Ausgaben.
Man könnte natürlich einwenden, dass das nur Peanuts sind; immerhin geht es um gerade einmal 0,05 Prozent des Bundeshaushalts. Aber trotz der neuen Schulden ist das Geld knapp. Finanzminister Lars Klingbeil hat gerade erst erklärt, dass er Steuererhöhungen nicht mehr ausschließen kann.
Umso interessanter ist ein Blick darauf, in welchem Verhältnis die zusätzlichen Mittel für die Filmförderung zu anderen Ausgaben stehen. Da wäre zum Beispiel das 1000-Köpfe-plus-Programm, mit dem die Bundesregierung internationale Top-Wissenschaftler nach Deutschland holen möchte.
Hintergrund ist, dass sich viele – gerade auch europäische – Wissenschaftler in Trumps Amerika nicht mehr wohlfühlen. Dort werden die Budgets von Universitäten gekürzt. Um diese Experten nach Deutschland zu bringen, stehen 2025 zusätzlich 27 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ein Bruchteil dessen, was künftig in die Förderung des deutschen Films fließen soll.
Einen anderen Vergleich bietet das Engagement des Bundes im sozialen Wohnungsbau: Aus dem Sondervermögen Infrastruktur sollen 2025 rund 327 Millionen Euro in Wohnungsbauprogramme fließen. Über Sinn und Unsinn dieser Programme lässt sich ebenso trefflich streiten wie über die Qualität deutscher Filme. Doch für die meisten Menschen sind steigende Mieten ein weitaus größeres Problem als schlechte Filme.




Möglicherweise hat die Großzügigkeit des SPD-geführten Finanzministeriums gegenüber dem deutschen Film auch damit zu tun, dass die Chefin des Filmproduzentenverbands die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering ist. Diesen Job hat sie im Mai übernommen, weil ihr Vorgänger Björn Böhning als Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium gewechselt ist. Das ist das Ministerium, das jetzt den Fördertopf gefüllt hat.
Es ist also nachvollziehbar, dass einigen in der SPD die Förderung des deutschen Films besonders am Herzen liegt. In Zeiten knapper Kassen muss jedoch priorisiert werden, und dabei kann nicht jedes Herzensprojekt zum Zuge kommen. Ich hoffe, der Finanzminister nimmt sich in der Sommerpause etwas Zeit, um genau diese Priorisierung zu überdenken. Vermutlich wird sich dann zeigen, dass es durchaus noch andere, größere Bereiche gibt, in denen die Ausgabenverteilung der Bundesregierung nicht den Prioritäten für Deutschland entspricht.






