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Kolumne „Out of the box“Buyback: Kurswachstum durch Eigenblutdoping

Konzerne kaufen eigene Aktien zurück und treiben so den Aktienkurs an. Das zeugt vor allem von akuter Ideenarmut und Betriebsblindheit, meint Frank Dopheide. 07.03.2023 - 19:13 Uhr Artikel anhören

Frank Dopheide ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Human Unlimited, die sich auf das Thema „Purpose“ spezialisiert hat. Zuvor war er unter anderem Sprecher der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group und Chairman von Grey Worldwide.

Foto: Klawe Rzezcy, Getty Images

Buyback heißt die neue Trendsportart der Topmanagerinnen und Topmanager börsennotierter Unternehmen. Die Kurspflege auf eigene Kosten durch den Rückkauf eigener Anteilsscheine. Diese Erfolgsformel ist denkbar einfach: Man entzieht dem Unternehmen Geld und dem Markt Aktien, um sich den Zukunftswert schönzurechnen. Eine wirkungssteigernde Maßnahme, die wir im Sport als Eigenblutdoping kennen. Sie ist seit 1988 verboten. Weil sie zu Wettbewerbsverzerrung führt, gilt sie als Betrug und wird mit sofortigem Ausschluss aus dem Wettkampf bestraft.

Kursdoping wirkt auch an der Börse: HQ Trust hat im Auftrag des Handelsblatt errechnet, dass die Rückkäufe im Schnitt für ein Viertel aller Kursgewinne der letzten zehn Jahre in Europa und den USA verantwortlich sind. Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Flagge geschrieben haben, sind im Teilnehmerfeld ganz vorn mit dabei: Allianz, Adidas und Siemens. Wer kann dazu schon Nein sagen, wenn sich der eigene Lohn am Kurswert orientiert? So ist diese Bewegung zum Breitensport geworden.

Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Geschätzte 1000 Milliarden Dollar lassen sich die Konzerne ihr Pflegeprogramm dieses Jahr kosten. Ein neuer Rekordwert, offensichtlich muss auch hier die Dosis stetig erhöht werden. Intel hat in den letzten zwei Jahrzehnten über 90 Prozent des Profits für das Wohlwollen seiner Anteilseigner ausgegeben durch Aktienrückkäufe und Dividenden. Die ausgedünnte Kapitaldecke kostete erst Marketingbudget und später Marktanteile. Genützt hat es nichts. Der Finanzmarkt leidet an Alzheimer, das Plus von gestern ist heute nichts wert.

Adidas kaufte jahrelang mit Milliarden Aktien zurück, um dann 2022 mit einem Kursverlust von 49 Prozent auf dem vorletzten Performanceplatz der ersten Börsenliga zu fallen. Apple hat unvorstellbare 573 Milliarden ins Buyback eigener Anteile gesteckt, um das vergangene Jahr mit 27 Prozent Minus abzuschließen. Ein Wertverlust von einer Billion Dollar, verglichen mit Apples besten Tagen.

Das entscheidende Wort der Börse ist nicht Buyback, sondern Fantasie. Und da haben die Unternehmen wenig zu bieten. Wir finden keine lohnenden und vielversprechenden Investments, lautet die oft gehörte Begründung für Aktienrückkäufe. Sie sagt: Wir sehen im gesamten Konzern weltweit keine Ideen, Services, Produkte, Technologie, Partnerschaften, die es wert sind, substanziell in sie zu investieren.

OpenAI: ChatGPT hat die Welt auf den Kopf gestellt

So klingt akute Ideenarmut und Betriebsblindheit. Am Anfang der Erlöskette steht nun mal das Vorstellungsvermögen. Doch selbst den Silicon-Valley-Stars ist nach dem iPhone, der Google-Suche und dem Facebook-Button nichts Weltbewegendes mehr eingefallen. Ihr Erfindungsgeist ist von der Produktentwicklung in die Buchhaltung gewechselt. Geld mit Geld zu machen ist hohe Rechenkunst und weniger mühsam als andere Investments.

In der Zwischenzeit hat das 2017 gegründete OpenAI mit ChatGPT die Welt auf den Kopf gestellt und die Zentralen von Google, Facebook, Microsoft und Co. in helle Aufregung versetzt. Mit massivem Personalabbau versuchen sie nun ihre Zukunftskasse wieder zu füllen und sich einzukaufen. Buybacks haben sie der Zukunft keinen Schritt näher gebracht.

>> Lesen Sie auch: So stark beeinflussen Aktienrückkäufe die Kurse

Keiner hat auf die Nebenkosten geachtet. Die manische Fixierung auf den Aktienmarkt führt leicht zu innerer Kündigung, Verlust von Autonomie bei der Herstellung zukunftsentscheidender Bauteile und spürbaren Einbußen in der Produktqualität. Die Zukunft gerät in immer weitere Ferne.

Was ist die Alternative? Unvorstellbar, aber wahr: Geld allein kann nichts. Geld arbeitet erst, wenn es jemand in die Hand nimmt, den Gedankensprung macht und die Ärmel hochkrempelt. Wenn außerhalb der eigenen vier Wände schon nichts zu holen ist, lohnt sich der Blick nach innen doppelt. Die große Arbeiterlosigkeit verhindert, dass die Probleme der Zukunft mit neuen Kräften gelöst werden. Eine Konzentration auf bestehende Mitarbeitende ist notwendig und ein Wettbewerbsvorteil.

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Das Wachstumspotenzial im eigenen Unternehmen ist groß: Mitarbeiterzufriedenheit, Digitalisierung, Kundenbindung, Krankheitstage, Erlösmodelle, Innovationspipeline, Logistikketten. Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Milliardeninvestitionen in die eigene Mannschaft, die eigene Infrastruktur und eigene Resilienz würden intern für großes Staunen sorgen und ungeahnte Kräfte freisetzen. Noch am Tag der Verkündung. Es gibt sogar einen Begriff dafür: gesundes Wachstum.

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