Lars Felds Ordnungsruf: Am Verfahrensrecht entscheidet sich der Bürokratieabbau Deutschlands

Regelmäßig stehen in Unternehmensbefragungen die Bürokratiekosten an oberster Stelle der Hemmnisse für Investitionen in Deutschland. Im Grunde fasst dieser Begriff die Misere jedoch unzureichend. Vielmehr ist ein dichtes Netz überbordender Regulierung verantwortlich dafür, dass Verwaltungspersonal beim Staat und bei den Unternehmen in zunehmendem Maße notwendig ist, um die bestehenden Gesetze zu erfüllen. Es sind die Vielzahl an Gesetzen und ihre Komplexität, die Investitionen in Deutschland verhindern. Der Normenkontrollrat des Bundes schätzt den Erfüllungsaufwand zur Einhaltung dieser Gesetze im Jahr 2025 auf rund 20 Milliarden Euro.
Die Politik hat dieses Problem längst erkannt. Seit einigen Jahren steht der Bürokratieabbau in den Wahlprogrammen der Parteien und in Koalitionsverträgen. Passiert ist jedoch kein Abbau, sondern eine weitere Zunahme an komplexen Gesetzen. Häufig genannte Ad-hoc-Lösungen, wie etwa „One in, two out“, also für eine neue Norm sollten zwei gestrichen werden, oder die Sunset-Legislation, also die Festlegung auf ein Ablaufdatum bei Verabschiedung eines Gesetzes, waren nicht erfolgreich. Ohne eine systematische Deregulierung in verschiedenen Bereichen lässt sich das Problem der überbordenden Regulierung nicht lösen.
Die Problemanalyse zeigt: Für private und staatliche Investitionen gleichermaßen sind die Planungs- und Genehmigungsverfahren enorm aufwendig, dauern für größere Projekte, etwa den Bau einer Autobahnbrücke, bis zu acht Jahren. Das Bau- und Umweltrecht müssten daher entschlackt, die Regulierungsintensität reduziert werden. Die unzureichende Digitalisierung von Bund, Ländern und Gemeinden ist ein Problem des Föderalismus, des Verwaltungsrechts und, nicht zuletzt, des Datenschutzes. Im Arbeitsrecht folgten nach den Deregulierungen unter Gerhard Schröder ab dem Jahr 2011 wieder Verschärfungen, welche die Schröder’schen Erleichterungen mittlerweile bei Weitem überkompensiert haben. Wer sich mit diesen Thematiken auskennt, weiß, wie schwierig es ist, Fortschritte zu erzielen.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hebt sich wohltuend von früheren Vorstößen zur Deregulierung ab. Die Bundesregierung verspricht keine Allgemeinplätze eines unkonkreten Bürokratieabbaus, sondern nennt konkrete Gesetzesänderungen für diese Legislaturperiode. Im Mittelpunkt der Bemühungen zum Bürokratieabbau steht die Vereinheitlichung des Verfahrensrechts. Derzeit gelten unterschiedliche verfahrensrechtliche Vorgaben für unterschiedliche Rechtsbereiche. Die Bundesregierung will die Anzahl der Verfahrensstufen reduzieren und Doppelprüfungen beenden. Ein Verfahren soll in dem Recht beendet werden, in dem es begonnen wurde.
Darüber hinaus soll es Erleichterungen für den Infrastrukturausbau geben. So soll der Ersatzneubau bei Infrastrukturvorhaben nicht mehr verpflichtet sein, das normale Planfeststellungsverfahren zu durchlaufen. Hinzu kommen Erleichterungen für Ausgleichsmaßnahmen und die bundeseinheitliche Anwendung des Populationsansatzes beim Arten- und Naturschutz. Anknüpfend an die schon in der vorherigen Legislaturperiode vorbereiteten Novelle des Bundesbaugesetzbuches soll es zu weiteren Lockerungen der Regulierung kommen.
Der Wohnbereich zeigt die Ambivalenz
Gerade im Wohnungsbereich zeigt sich jedoch die Ambivalenz der Bundesregierung. Die jüngste Verlängerung der Mietpreisbremse, die Diskussion um weitere Verschärfungen und Vorstöße auf der Landesebene für Enteignungen drohen die Vorhaben des Koalitionsvertrags zur Deregulierung im Baurecht zu konterkarieren.





Ähnlich verhält es sich im Arbeitsrecht. Zur beabsichtigten Lockerung der restriktiven Arbeitszeitregelungen gesellen sich arbeitsrechtliche Verschärfungen wie ein Tariftreuegesetz. Auf die beabsichtigte (und noch immer nicht umgesetzte) Abschaffung des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes wird die Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) folgen. Diese wird zwar weniger streng ausfallen als ursprünglich vorgesehen, bleibt aber problematisch, weil die Auswirkungen selbst der entschärften CSDDD auf die kleineren Unternehmungen in der Lieferkette unterschätzt werden. Im Grunde müsste die CSDDD ganz entfallen. Selbst hinsichtlich ihrer Entschärfung sind sich die Koalitionäre im Bund aber so uneinig, dass gegenläufige Interventionen im Ministerrat berichtet werden.
So bleibt bei aller Gegensätzlichkeit das Gefühl, dass sich in der Bundesregierung noch kein Konsens für eine nennenswerte Deregulierung in wesentlichen Rechtsbereichen eingestellt hat. Zu hoffen ist daher, dass das Kernstück – die Vereinheitlichung des Verfahrensrechts – möglichst bald erreicht wird.






