Prüfers Kolumne: Ghost – Nachricht vom Arbeitnehmer

Es gibt offenbar einen neuen Trend am Arbeitsmarkt, das sogenannte Job-Ghosting. Besonders bei Vorstellungsgesprächen kommt es vor, dass Leute einfach nicht zum Termin erscheinen. Ohne Absage.
Andere bleiben in der Probezeit einfach vom Arbeitsplatz fern, reagieren nicht auf E-Mails, ans Telefon gehen sie ohnehin nicht mehr. Für die betroffenen Unternehmen und ihre Personalabteilungen ist das natürlich eine sehr unangenehme Sache.
Sie haben immerhin einen Einstellungsprozess gestartet und werden damit einfach stehen gelassen. Weil der Arbeitnehmer einfach keine Arbeit mehr annimmt. In der „Welt am Sonntag“ wurde von der „Tinderisierung“ der Arbeit gesprochen.
Früher wäre das nicht denkbar gewesen, man hätte ja große Sorgen haben müssen, dass solch ein Verhalten zu einem negativen Vermerk führt und dass es sich herumspricht, dass vielleicht der neue Arbeitgeber Referenzen beim geschassten einfordert. Heute scheinen die Angestellten da wesentlich unbekümmerter. Sie bleiben eben weg.
Wäre die Arbeit allerdings wirklich tinderisiert, würden also Vertreter der Generation Z den Arbeitsplatz genauso wegwischen, wie sie das mit potenziellen Dates tun, würden noch ganz andere Sachen passieren.
Wo sich Dating und Arbeit unterscheiden
Dann würden sich die Arbeitgeber vorher beim Arbeitnehmer melden und ein Herzchenaugen-Emoji schicken und schreiben: „What a perfect match.“ Und dann würde man vorher auch eine Reihe von nichtssagenden Floskeln austauschen, etwa: „Hey, meine Finger sind ganz wund vom Swipen, weil ich dich so lange suchen musste. Könntest du bei uns für eine Weile auf der Tastatur herumhacken?“ Oder: „An deinem Profil bin ich hängen geblieben und hab mich richtig flachgelegt… Ich fürchte, ich muss dir Schmerzensgeld vom ersten Gehalt abziehen. ;-)“ Oder: „Mein Akku ist gerade um 63% gesunken… Deine tolle Ausstrahlung verursacht einen Stromausfall in unserer IT.“
Beim Personalgespräch würde man erst einmal darüber sprechen, dass der Bewerber ja noch besser aussieht als auf dem Bewerbungsfoto. Und wenn der Arbeitnehmer sich nicht mehr melden würde, hingen die Mitglieder der Personalabteilung völlig nervenbündelig über ihren Smartphones und hofften, dass vielleicht doch noch ein Zeichen kommt.
Sie würden sich fragen, ob sie vielleicht beim Bewerbungsgespräch etwas anderes hätten anziehen sollen oder nicht so schnell über Geld hätten sprechen sollen.

Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen Arbeit und einem Tinder-Date: Während ein Date etwas erst mal Angenehmes ist, das sich vielleicht in etwas sehr Angenehmes verwandeln kann, ist Arbeit etwas Unangenehmes, das mit Glück etwas weniger unangenehm wird.
Viele Menschen würden ihrer Arbeit jederzeit fernbleiben und tun es nur nicht, weil es Geld gibt. Daher können sich die Personaler trösten. Vielleicht so, wie es Menschen tun, die bei Tinder geghostet werden: Es war besser so. Wer jemanden einfach so sitzen lässt, wäre auch in der Partnerschaft problematisch gewesen – und wenn es der Vertriebschef gewesen wäre.







