Trump Watch: Testosteron ist die neue geopolitische Konstante

Über kaum jemanden wird außerhalb amerikanischer Grenzen wohl so viel geschimpft wie über Donald Trump. Auch ich leiste regelmäßig meine Beiträge zur Verbreitung schlechter Laune – schon von Berufs wegen.
Eines jedoch muss man Trump lassen: Er setzt nicht nur seine Wahlversprechen unerbittlich konsequent um. Seine Auftritte haben oft auch so was erfrischend Ehrliches. „Wir brauchen es“, und Dänemark werde bestimmt „mitmachen“, sagte der neue US-Präsident beiläufig, als er damit beschäftigt war, mal wieder unzählige Dekrete zu unterschreiben.
Gemeint war Grönland, das bekanntlich zu Dänemark gehört, also EU-Terrain ist, und wegen seiner Rohstoffe und geografischen Lage das Begehren des Präsidenten weckte. Dass er „es brauche“, musste also reichen als Begründung für eine Erweiterung des US-Territoriums um das zwölftgrößte Land der Erde.
Trump meint es ernst mit seinen neoimperialistischen Reflexen
Nicht nur die Dänen dürften nicht schlecht gestaunt haben. Auch ich fragte mich als professioneller Beobachter: „Nee ne, war das jetzt ein schlechter Scherz?“
Aber seit diese neoimperialistischen Reflexe, die schließlich Panama, Kanada, ja sogar den Gazastreifen, aus dem sich ein amerikanisches Immobilienprojekt samt Golfanlage machen ließe, umfassten, war ich mir sicher: Der meint es ernst.
Seltene Erden und andere Rohstoffe im Gesamtwert von einer Billion Dollar verlangt Trump nun von der Ukraine als Gegenleistung für die Unterstützung mit Waffenlieferungen im Wert von 160 Milliarden Dollar, die die USA bislang geleistet haben.
Den kleinen Aufschlag hat Präsident Selenskyj wahrscheinlich zu entrichten, weil der neue „Sheriff in Town“ seine Dienste als Friedensfürst bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine anbietet. Seit Selenskyj sich allerdings ziert, einen entsprechenden Rohstoffvertrag zu unterschreiben, nennt Trump ihn einen „Diktator“, der die Kriegsschuld trage.
Ob nun Grönland, Panama, Gaza oder eben Rohstoff-Enteignung – endlich sorgt „männliche Energie“ wieder für klare Verhältnisse auf dem Globus.
Was das Schlitzohr Putin durfte, darf Trump auch. Was seine präsidentiellen Vorfahren konnten, kann er auch.
William McKinley etwa, jener Präsident, der Ende des 19. Jahrhunderts gegen Spanien in den Krieg zog und Unabhängigkeitsbewegungen für imperialistische Zwecke nutzte, um etwa Kuba in einen Vasallenstaat oder die Philippinen in eine Kolonie zu verwandeln. Bereits zuvor hatten amerikanische Präsidenten wenig Skrupel, Gewalt anzuwenden, um Mexiko die Gebiete der heutigen Bundesstaaten Texas, Kalifornien und einige weitere abzuringen.
Man darf gespannt sein, mit welchen Argumenten Trump seinem chinesischen Gegenüber Xi das Recht absprechen will, sich demnächst Taiwan unter den Nagel zu reißen. Vielleicht findet sich ja ein um Hilfe bittender Bürger mit amerikanischen Vorfahren in irgendeinem Vorort von Taipeh, der sich bei der Eingemeindung durch die Volksrepublik in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlt.
Taiwan als 52. US-Bundesstaat. Keine schlechte Idee – da werden doch diese tollen Chips fabriziert. Und Trump wollte die amerikanische Flagge ohnehin an neue Horizonte tragen. Warum nicht Taiwan? Die Chipfabriken sind bestimmt Billionen wert. Guter Deal!



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Erstpublikation: 24.02.2025, 12:04 Uhr.






