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China, USA, JapanDer wahre Grund für Europas Innovationsrückstand

USA, China, Japan. Gegen die großen Innovationsvorreiter fällt Europa weit zurück. Vor allem ein Grund hält die Unternehmen davon ab, Risiken einzugehen.Daniel Stelter 05.02.2025 - 12:27 Uhr Artikel anhören
Deepseek: In China ist eine neue KI auf den Markt gekommen. Damit steht sie in Konkurrenz zu den US-Amerikanischen Modellen. Von Europa fehlt auf dem KI-Markt jedoch jede Spur. Foto: Bloomberg

Die USA und China liefern sich ein erbittertes Wettrennen um die Vorherrschaft bei Künstlicher Intelligenz (KI). So sorgte das chinesische Start-up Deepseek für Aufsehen, weil es ein KI-Modell vorstellte, das in puncto Leistungsfähigkeit mit GPT-4 von OpenAI konkurrieren kann. Europa währenddessen spielt bei dem Thema KI und auch bei den meisten Schlüsseltechnologien der Zukunft keine Rolle.

Es gibt viele Vermutungen, woran der europäische Rückstand liegen könnte: der Mangel an erfahrenen Gründern, fehlendes Risikokapital oder dem Verkauf erfolgreicher Start-ups an die US-amerikanischen Tech-Giganten. Kein Wunder, dass die deutsche und europäische Politik nach Wegen sucht, mit mehr Förderung dagegenzusteuern.

Dabei gäbe es einen billigeren und effektiveren Weg, die Innovationskraft der EU zu steigern, wie Olivier Coste und Yann Coatanlem in einer vom Institut für europäische Politikgestaltung der Mailänder Bocconi Universität veröffentlichten Studie erklären. Das Kernproblem Europas sind demnach die zu hohen Kosten des Scheiterns. Ein Punkt, den auch der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU anspricht.

Innovationen leiden unter hohen Kosten

In der Tat sind die Restrukturierungskosten in Europa deutlich höher als in den USA. Insgesamt schätzen Coste und Coatanlem, dass die Restrukturierungskosten in Europa etwa zehnmal höher sind als in den USA. Diese Kosten fallen an, wenn ein großes Vorhaben scheitert.

Je höher die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns in einem Sektor ist, desto größer ist auch der relative Nachteil für Europa. Der Mangel an erfahrenen Gründern und „wagemutigen“ Risikokapitalgebern sind Symptome dieses zugrunde liegenden Problems.

Ein einfaches Beispiel verdeutlicht die Problematik: Zwei große Unternehmen erwägen eine risikoreiche Innovation mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 20 Prozent. Bei einem Erfolg winken Gewinne von 100 Millionen Dollar, die Investitionskosten betragen 15 Millionen Dollar. Das Unternehmen in Kalifornien zahlt bei einem Scheitern eine Million Dollar für die Restrukturierung. Das deutsche Unternehmen muss mit zehn Millionen Dollar rechnen. Der Erwartungswert der Investition in Kalifornien ist ein Gewinn von 4,2 Millionen Dollar. In Deutschland ergibt sich ein erwarteter Verlust von drei Millionen Dollar.

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online. Foto: Robert Recker/ Berlin

Diese Dynamik drängt europäische Unternehmen dazu, bei Bewährtem zu bleiben – nicht aus Risikoaversion, sondern weil es angesichts der hohen Kosten bei Misserfolg die gewinnmaximierende Wahl ist. Große Wetten auf neue Technologien sind für europäische Firmen weniger lohnend.

Die Berechnungen von Coste und Coatanlem legen nahe, dass die höheren europäischen Restrukturierungskosten zu einer um vier Prozentpunkte niedrigeren Rendite führen sollten als in Ländern mit flexiblerem Kündigungsschutz. Tatsächlich zeigt sich, dass Venture Fonds in Europa zwischen 1998 und 2018 rund fünf Prozent weniger Rendite pro Jahr erwirtschaften als in den USA.

Offensichtlich müssen wir die Kosten des Scheiterns senken, wenn wir in Europa eine Chance haben wollen, mit Blick auf die Hightech-Innovationen wieder mitzuspielen. Coste und Coatanlem schlagen vor, den Arbeitnehmerschutz nur bis zu einem bestimmten Einkommensniveau beizubehalten. Für die oberen fünf bis zehn Prozent der Einkommensbezieher sollte dieser deutlich eingeschränkt werden.

Beyond the obvious

Europas Innovationsproblem

02.02.2025
Abspielen 01:26:58

Für diese sollte gelten, was beispielsweise in Dänemark allgemein Praxis ist. Nach dem dänischen „Flexicurity“-Modell können Arbeitgeber frei einstellen und entlassen und die Mitarbeiter sind über die Arbeitslosenversicherung gut abgesichert. Dieses Modell gewährleistet sowohl Arbeitnehmerschutz als auch unternehmerische Agilität. Es ist daher kein Zufall, dass Dänemark laut Europäischer Kommission der Top-Innovator der EU ist.

Wenn Europa überhaupt eine Chance haben will, in der Zukunft technologisch mitzuhalten, muss es Unternehmen ermöglichen, mutige Wetten einzugehen – und zu scheitern.

Nur so können europäische Unternehmen mit der Innovationskraft ihrer amerikanischen und chinesischen Konkurrenten mithalten und sich immer wieder neu erfinden. Die Anpassung der Rahmenbedingungen für Restrukturierungen könnte der Schlüssel sein, um Europas Innovationslücke zu schließen und im globalen Wettbewerb die Nase wieder vorn zu haben.

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Erstpublikation: 02.02.2025, 10:51 Uhr.

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