1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kolumnen
  4. Veronika Grimm: Deutschland verspielt die Zukunft – Wirtschaftsweise rechnet ab

Veronika GrimmDeutschland verspielt die Zukunft – Wirtschaftsweise rechnet ab

Deutschland ist reich, wir können uns das leisten? Von wegen! Politiker scheuen echte Reformen – aus Angst vor den Rändern. Dabei gäbe es sogar Grund zur Hoffnung. Ein Kommentar.Veronika Grimm 03.09.2025 - 08:57 Uhr Artikel anhören
Die Autorin Veronika Grimm ist Mitglied des Sachverständigenrats. Foto: Klawe Rzeczy [M]

Deutschland braucht grundlegende Reformen. Doch das politische System scheint dazu kaum in der Lage. In nahezu jedem Politikfeld ist die Diagnose eindeutig: Die aktuellen Rahmenbedingungen sind nicht tragfähig – anders gesagt: nicht zukunftsfest. Der Kanzler sieht das und kündigt Reformen an, doch umgesetzt werden nach koalitionsinternen Abstimmungen meist Scheinlösungen, die über ihren Wert verkauft werden.

Die Diskussion dreht sich im Kreis, weil es nirgends wehtun darf. Zu groß ist die Angst, Wähler könnten sich sonst den extremen Rändern zuwenden. Das zeigt sich in mehreren Bereichen:

Die Rente mit 63 muss entfallen

Bei den sozialen Sicherungssystemen ist seit Langem klar: Das Renteneintrittsalter muss mit der Lebenserwartung steigen, der Anstieg der Bestandsrenten gedämpft werden und der Nachhaltigkeitsfaktor wieder greifen, Sonderregeln wie Rente ab 63 und Mütterrente sollten entfallen. Stattdessen wird über die Einbeziehung von Beamten oder Selbstständigen diskutiert – Maßnahmen, die das eigentliche Tragfähigkeitsproblem nicht lösen.

Auch in der Energiepolitik fehlen konsequente Entscheidungen. Nötig wären regionale Strompreise, Technologieoffenheit und ein verlässlicher CO2-Preis, um Investitions- und Betriebsentscheidungen kosteneffizient zu steuern. Doch schon kleine Schritte stoßen auf Widerstand. Lieber verteilt man Subventionen, um kurzfristig die Kosten zu verschleiern.

Beim Bürokratieabbau wiederholt sich das Muster: Statt unnötige Regulierung abzubauen – auch auf europäischer Ebene –, vereinfacht man lediglich Verfahren und schafft gleichzeitig neue Regeln, zuletzt mit dem Tariftreuegesetz. Die Wirtschaft wird so immer stärker erdrückt.

Auch das sinkende Arbeitsvolumen wird nicht ernsthaft adressiert. Zielgenauere Absicherung für die, die wirklich nicht arbeiten können, wäre nötig. Stattdessen setzt die Politik darauf, etwa über höhere Mindestlöhne das Arbeiten attraktiver zu machen – ein Rezept, das Jobs kosten dürfte.

Lars Felds Ordnungsruf

Immer wieder Steuererhöhungen – und immer wieder derselbe Fehler

Dass Scheinlösungen verfangen, liegt auch daran, dass viele Politiker und Bürger in die Vergangenheit schauen: „Wir sind doch reich, wir können uns das leisten.“ In die Zukunft projiziert, sieht das Bild jedoch ganz anders aus – wegen Demografie, überlasteter Sozialkassen und wachsender Konkurrenz durch Schwellenländer, die ökonomisch aufholen.

Frankreich zeigt in erschreckender Weise, wohin das führt: Die fiskalischen Spielräume sind dort  ausgeschöpft. Die von der Regierung angestrebte Konsolidierung misslingt, weil extreme Parteien sich zusammenschließen und blockieren. Umso befremdlicher, dass der deutsch-französische Rat der Wirtschaftsexperten in dieser Lage sogar gemeinsame europäische Schulden ins Spiel bringt, statt beide Länder zu konsequenten Reformen zu drängen – zu Hause und in der EU.

Verwandte Themen Deutschland Europa Altersvorsorge Wirtschaftspolitik

Gibt es Hoffnung? Ja. Deutschland steht zurzeit noch besser da als andere große EU-Staaten. Und es gibt Beispiele erfolgreicher Reformen: Schweden in den 1990er-Jahren, Deutschland mit der Agenda 2010, aktuell Argentinien. Die Lehre lautet: Man braucht einen Plan und darf sich und der Bevölkerung nichts vormachen. Nur wenn die großen europäischen Staaten ihre Hausaufgaben erledigen, kann auch Europa seine Rolle in einer unruhigen Welt behaupten.

Mehr: Höhere Steuern für Reiche? Die CDU-Idee zielt auf ein gefährliches Tauschgeschäft

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt