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EditorialIst das jetzt die KI-Blase? Selbst wenn

Die Euphorie um Künstliche Intelligenz stößt an Grenzen – selbst OpenAI-Gründer Sam Altman warnt vor Überhitzung. Skepsis wächst, Investoren zweifeln. Doch die Revolution hat erst begonnen.Martin Knobbe 29.08.2025 - 09:00 Uhr
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Martin Knobbe, stellvertretender Chefredakteur des Handelsblatts. Foto: Max Brunnert

Ich bin hellhörig geworden, als neulich über ein Dinner von Sam Altman mit Journalisten in San Francisco berichtet wurde, nicht nur, weil es außergewöhnlich lang gedauert haben soll. Die derzeitige Euphorie um Künstliche Intelligenz sei „überhitzt“, soll der Gründer und CEO von OpenAI in der Runde gesagt haben. Eine Warnung ausgerechnet von dem Mann, der vor ein paar Jahren noch prophezeit hatte, KI werde bald sämtliche menschliche Arbeit verrichten – und die Gesellschaft reich machen.

„Sind wir in einer Phase, in der Investoren als Ganzes übermäßig begeistert sind? Ja“, wird Altman zitiert. „Ist KI zugleich die bedeutendste Entwicklung seit langer Zeit? Ebenfalls ja.“

Die doppelte Botschaft beschreibt ganz gut, um welche Fragen es gerade geht: Ist der aktuelle KI-Boom nur eine gefährliche Spekulationsblase, ähnlich wie in der Dotcom-Krise Ende der Neunzigerjahre? Oder erleben wir tatsächlich eine der tiefgreifendsten Revolutionen der Geschichte?

Die Skepsis jedenfalls ist da und wird immer lauter. Analysten und kritische Investoren wie Richard Bernstein warnen vor Hysterie und weisen auf Bewertungen hin, die kaum mehr rational erklärbar sind, von Nvidia, Microsoft und anderen Tech-Riesen. Start-ups ohne belastbares Geschäftsmodell erzielen Finanzierungsrunden in Milliardenhöhe einzig mit dem Versprechen, irgendetwas mit KI zu machen.

Ein Report des MIT in Boston kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass 95 Prozent aller generativen KI-Pilotprojekte keine messbaren finanziellen Vorteile bringen. Das Papier liest sich wie eine Analyse der Ernüchterung: Die Technologie mag faszinieren, ihr ökonomischer Nutzen bleibt in der Breite aber aus.

Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität

Luisa Bomke, Felix Holtermann und Stephan Scheuer beschreiben in der Titelgeschichte dieser Woche, wie die Krise der KI ihren Pionier nun selbst einholt: Die neueste Version von ChatGPT, dem Hauptprodukt von Sam Altmans OpenAI, hat Experten enttäuscht, die Zusammenarbeit mit Microsoft läuft nicht rund, einige gute Leute haben das Unternehmen verlassen. Die Jünger zweifeln an ihrem Messias.

Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität ist die Grundlage jeder Blase. Der Glaube, dass jede Firma, jedes Geschäftsmodell und jede Branche durch KI automatisch profitabler werde, treibt Kapital in Höhen, die auf Dauer nicht zu halten sind – Dotcom lässt grüßen.

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Die Branche erlebt deshalb gerade eine kritische Phase, einen Abgleich mit der Wirklichkeit, hart wie ein kalter Entzug, womöglich steckt sie sogar in einer Sinnkrise, wie wir in unserem Titel andeuten. Eine existenzielle Krise allerdings ist das alles nicht.

Es wäre fatal zu glauben, die globale KI-Revolution wäre nun abgesagt oder verschoben. Sie wird sich immer noch schneller vollziehen, als viele glauben. Deshalb darf es keine Pause in den Überlegungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft geben, wie das Leben nach der Revolution gestaltet wird, welche Regeln dann gelten, wie der Arbeitsmarkt aussieht. In dem vom Kanzler angekündigten „Herbst der Reformen“ sollte es auch um die Reform gehen, die uns die KI vorschreibt.

Denn jenseits des Hypes verändert KI bereits heute grundlegend Branchen und Arbeitsprozesse. Industrieunternehmen planen ihre Lieferketten mit Algorithmen der KI, Tiktok setzt auf automatisierte Moderation und Überwachung von Inhalten. In der Software-Entwicklung beschleunigen KI-gestützte Systeme wie GitHub Copilot den Programmierprozess, kaum ein Kundenservice kommt ohne Chatbots aus.

Die Finanzbranche nutzt KI in der Risikoanalyse, beim automatisierten Handel, in der Betrugsprävention. Banken und Versicherungen können dank maschineller Lernverfahren Risiken präziser einschätzen. Im Gesundheitswesen helfen KI-Modelle bei der Bildauswertung und der Medikamentenforschung.

OpenAI-Chef Sam Altman: Hohe Ambitionen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Auch wir in der Redaktion nutzen die Hilfe der Künstlichen Intelligenz, beim Transkribieren von Interviews, in der Aufbereitung von großen Datensätzen, in der Vorbereitung von Recherchen und Interviews oder auch für einen Vorschlag, an welcher Stelle man am besten einen Text kürzt. Unsere Artikel allerdings schreiben wir alle selbst.

KI ist an vielen Stellen längst ein produktiver Faktor und kein reines Versprechen. Woher kommt dann die plötzliche Skepsis, worin sind die schlechten Zahlen begründet?

Der Schlüssel für einen ökonomischen KI-Effekt liegt wahrscheinlich weniger in der Technologie als in ihrer Implementierung. KI einzusetzen, bedeutet nicht nur, Software zu kaufen. Es erfordert massive Investitionen in Infrastruktur, in Datenqualität, in Rechenzentren, vor allem aber in eine umfassende Transformation der ganzen Organisation. Viele Projekte aber scheitern daran, dass Unternehmen die notwendigen Voraussetzungen für den Erfolg unterschätzen.

KI ist kein Plug-and-Play-Tool, sie ist eine Kulturrevolution. Nur wer erkennt, dass diese Revolution erfordert, Prozesse, Geschäftsmodelle und Steuerungslogiken radikal zu hinterfragen und zu verändern, wird als ihr Sieger herausgehen – mit steigenden Umsatzzahlen.

Verwandte Themen Sam Altman OpenAI Microsoft Künstliche Intelligenz Nvidia ChatGPT

Revolutionen geschehen in Wellen, das gilt auch für technologische: Euphorie, Ernüchterung, Krise, erneuter Aufbruch. Gerade erleben wir eine Phase der Korrektur, vielleicht auch eine Blase, nicht alle werden überleben, wenn sie platzt. Die Revolution wird trotzdem erfolgreich sein.

Der Blick zurück zur Dotcom-Zeit lohnt sich tatsächlich. Damals verschwanden viele Unternehmen, doch eines blieb – das Internet. Es wurde zum zentralen Fundament der globalen Wirtschaft. Mit der KI wird es ähnlich geschehen – ob mit Sam Altman an der Spitze der Revolution oder ohne.

Mehr: Fünf Alternativen zu ChatGPT – und was sie können

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