Frankreich: Politischer Zerstörungswille in Paris


Zu den wichtigsten verfassungsrechtlichen Lehren in Deutschland gehört das konstruktive Misstrauensvotum. In der Weimarer Republik konnte das Parlament einmal der Regierung das Vertrauen entziehen, ohne sich um die politische Stabilität zu sorgen. Die Folge waren 20 Kabinettswechsel in 14 Jahren. In der Bundesrepublik reicht es nicht, einen Kanzler stürzen zu wollen – der Bundestag braucht sofort einen Plan B.
Die französische Verfassung erlaubt dagegen ein destruktives Misstrauensvotum. In der Nationalversammlung werden die verfeindeten Kräfte der linken Neuen Volksfront und des rechten Rassemblement National am Mittwoch wohl Hand in Hand diesen Weg gehen, getrieben von einem gemeinsamen politischen Zerstörungswillen. Damit droht der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU zumindest auf absehbare Zeit die Unregierbarkeit.
Das Trauerspiel in Paris hat viele Verantwortliche. Zunächst Emmanuel Macron: Im Juni 2024 hatte sich der Präsident in einem einsamen Akt der Selbstüberschätzung entschlossen, das Parlament aufzulösen. Viele in Frankreich, gerade auch in Wirtschaftskreisen, fragen sich bis heute, was Macron damals geritten hat. Die Neuwahlen brachten die zersplitterten Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung hervor, die den Erfolg des Misstrauensvotums nun erst ermöglichen.
Verantwortungslos agiert auch die französische Linke. Kein Wunder bei den linkspopulistisch eingefärbten Unbeugsamen Frankreichs mit ihrem selbstgerechten Volkstribun Jean-Luc Mélenchon, die in ihrem politischen Furor ein wenig an die Jakobiner der Französischen Revolution erinnern. Nur ohne Guillotine.
Problematisch ist die Position der gemäßigten Linksparteien, insbesondere der Sozialisten. Die Parti Socialiste, Heimat der ehemaligen Präsidenten François Mitterrand und François Hollande, hat sich in der verhängnisvollen Volksfront mit den Unbeugsamen eingemauert. Die radikalen Kräfte geben in dem Bündnis den Ton an – und suchen nun sogar kurzzeitig den Schulterschluss mit der Rechten, um die Regierung zu stürzen.
Der Rassemblement National hingegen zeigt in der Krise wieder sein wahres Gesicht. Die Partei wollte sich einen staatspolitischen Anstrich geben. Jetzt folgt sie populistischen Instinkten. Es geht ihr beim Misstrauensvotum nicht um angeblich ungerechte Haushaltspläne, nicht einmal um die aktuelle Regierung. Ihr eigentliches Ziel ist Macron, der Präsident des politischen Establishments.
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