Kommentar: Bahnreform – neuer Glanz fürs Bordbistro, Verspätungen inklusive


Passender hätte der Tag kaum sein können: Während die Umleitungsstrecke zwischen Hamburg und Berlin wegen eines Oberleitungsschadens stundenlang blockiert war und Reisende im Chaos steckten, läutete Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) den Neuanfang bei der Deutschen Bahn ein. Am Montag präsentierte er nicht nur seine Personalpläne für die Bahnspitze, sondern auch seine neue Bahn-Strategie.
Schnieder will die Bahn künftig straffer steuern. Viele seiner Vorschläge sind allerdings nicht neu: Ein Infraplan soll die Investitionen ins Schienennetz detailliert ausweisen – aber erst ab 2027. Die Idee stammt noch von der Vorgängerregierung.
Neu ist immerhin Schnieders Fokus auf Sauberkeit, Sicherheit und Komfort, um „das Reiseerlebnis zu verbessern“. Für die Fahrgäste heißt das: Die Züge kommen zwar vorerst weiter zu spät, aber mit funktionierenden Toiletten und geöffnetem Bordbistro.
Denn die Pünktlichkeitsziele werden erneut gesenkt. Bis Ende 2029 sollen 70 Prozent der Züge pünktlich ankommen. Ursprünglich war diese Quote bereits für 2026 geplant. Doch das marode Schienennetz mache den alten Plan unerreichbar.
Qualität ist ab sofort Chefinnensache – gut so
Ob dieses neue Pünktlichkeitsziel endlich eingehalten wird, liegt nun in den Händen der designierten Bahnchefin Evelyn Palla. „Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache!“, sagte sie am Montag. Wenn es brennt, muss – wie so oft – eine Frau ran. Die Glasklippen-Theorie beschreibt genau dieses Muster: Frauen werden häufig erst dann auf Top-Posten berufen, wenn das Unternehmen am Abgrund steht. Dass das bei der Bahn der Fall ist, können tausende Fahrgäste täglich bestätigen.
Die erfahrene Managerin bringt die Fähigkeiten mit, um den Zug wieder aufs Gleis zu setzen. Die Regionaltochter, die sie bisher leitete, schreibt seit dem vergangenen Jahr wieder schwarze Zahlen. DB Regio ist deutlich pünktlicher als der chronisch verspätete Fernverkehr, und Palla gelang es, den Verlust von Ausschreibungen an private Wettbewerber zu stoppen. Der Marktanteil liegt stabil bei rund 60 Prozent.
Palla bringt zudem Finanzexpertise mit: Sie begann ihre Bahn-Karriere als Finanzvorständin von DB Fernverkehr. Zuvor arbeitete die Südtirolerin bei den Österreichischen Bundesbahnen – einem System, auf das Deutschland aus gutem Grund neidisch blickt.
Doch die Weichen bei der Deutschen Bahn werden mit Schnieders Neuanfang nicht gänzlich neu gestellt.
Die „Pofalla-Wende“
Kennen Sie die „Pofalla-Wende“? Sie passiert, wenn ein verspäteter Zug seine Fahrt abbricht, wendet und in Gegenrichtung zurückfährt – damit er wieder pünktlich ist. Für die Fahrgäste bedeutet das: Ihr Halt entfällt, sie bleiben am Bahnsteig zurück. Ärgerlich, im besten Fall.
Sieht man von der designierten Bahn-Chefin Palla ab, dann vollzieht sich eine ähnliche Wende beim „Neuanfang“ der Bahn. Dirk Rompf, den Verkehrsminister Schnieder als neuen Chef der Infrastrukturtochter DB InfraGo vorschlagen will, war schon einmal Netz-Chef, damals unter Konzernvorstand Ronald Pofalla.
Rompf soll bei der DB InfraGo Philipp Nagl ablösen, unter dessen Leitung zuletzt der jahrelange Verfall des Schienennetzes gestoppt wurde. Nagl hat zudem maßgeblich das Konzept für die sogenannte Generalsanierung ausgearbeitet, für mehr als 40 besonders wichtige Strecken. Palla kündigte an, das Konzept weiterführen zu wollen.
Und: Schnieders neue Bahn-Strategie stammt maßgeblich von Andreas Gehlhaar, dem Leiter der Eisenbahnabteilung im Verkehrsministerium. Gehlhaar war einst Büroleiter von keinem Geringeren als Ronald Pofalla, als dieser Chef des Bundeskanzleramts war, und wechselte später selbst zur Deutschen Bahn.





Gewerkschaften und Oppositionspolitiker fragen hier zu Recht, ob so wirklich ein Neuanfang aussieht. Oder doch nur eine Pofalla-Wende?
Mehr: Designierte Bahn-Chefin Palla verspricht: „Wir räumen auf“ – EVG zettelt Machtkampf an






