Kommentar: Der Angstmacher

Die aufgeheizte Stimmung im Land hat für Olaf Scholz eine klare Ursache: In der Republik habe sich eine „kollektive Übellaunigkeit“ breitgemacht. Scholz will den Bürgern deshalb neue Zuversicht verordnen. „Wir müssen dort, wo Zuversicht fehlt, sie neu begründen“, sagte er jüngst in einer Regierungserklärung. Wie das gehen könnte, hat Scholz bereits 2017 in einem Buch dargelegt. Titel: „Hoffnungsland“.
Seit Beginn des Wahlkampfs verbreitet der Kanzler allerdings kaum Hoffnung, vielmehr schürt er Angst. Angst vor einem Kanzler Friedrich Merz, der den Deutschen in unsicheren Zeiten auch noch die letzten Sicherheiten nehmen würde: den Frieden und den Sozialstaat. Der Kanzler sieht die SPD sogar als letzte „Kraft der Mitte“. Für die Ukraine wie für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist dieses Spiel mit der Angst brandgefährlich.
Gewiss, Wahlkampf ist kein Sandkastenspiel. Zuspitzung gehört dazu, und in einer Zeit des grassierenden Populismus von links und rechts ist gegen einen gewissen Populismus der Mitte nichts einzuwenden. Wenn die beiden Volksparteien klar unterscheidbar sind, führt das hoffentlich dazu, dass einige Wähler von den Rändern wieder in die politische Mitte zurückkehren.
Wenn Scholz der Union aber abspricht, noch zur demokratischen Mitte zu gehören, schießt er übers Ziel hinaus. Und noch viel mehr, wenn er die Angst schürt, mit Merz drohten die Deutschen in einen dritten Weltkrieg zu schlittern, weil dieser „Heißsporn“ seine „Nerven nicht im Griff“ habe und in der Ukrainepolitik „Russisch Roulette“ spiele. Und das Schreckensszenario, unter einem Kanzler Merz hätten die Deutschen nur noch die Wahl zwischen Hilfen für die Ukraine oder Rentenkürzungen, droht auch noch die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben.
Grautöne kommen in diesem Wahlkampfsound kaum noch vor. Dabei war es bislang die Stärke des Kanzlers, in der Ukrainepolitik über der aufgeregten Schwarz-Weiß-Debatte zu stehen. Scholz’ Strategie war von Beginn an, die Ukraine zu unterstützen, aber bei jedem Schritt sorgfältig abzuwägen, ob dieser nicht eine Eskalation zur Folge haben könnte. Dieses Vorgehen hat Scholz nicht ganz zu Unrecht manches Mal die Kritik zu großer Zögerlichkeit eingebracht. Aber im Kern ist diese Politik richtig.
Mit diesem bedächtigen Kurs hat Scholz in der politischen Mitte ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem er im Wahlkampf punkten kann. Doch wenn die SPD die Ukrainepolitik nutzt, um damit einen Angst-Wahlkampf zu bestreiten, fördert sie nicht den Zusammenhalt – sondern befördert nur neue Ängste. Das ist schlicht verantwortungslos.
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