Kommentar: Der Irrglaube vom Kandidaten der Arbeiterklasse

Die Erzählung klingt zu schön, um wahr zu sein: Zohran Mamdani, ein demokratischer Sozialist, hat die Bürgermeisterwahl in New York gewonnen, weil er sich – anders als das politische Establishment – endlich um die wahren Sorgen der Menschen kümmern will.
Die horrenden Mieten will er einfrieren, Lebensmittelpreise durch städtische Supermärkte senken, den Mindestlohn auf 30 Dollar fast verdoppeln. Und bezahlen sollen das die Superreichen über höhere Steuern. Haben die Demokraten endlich ihre Antwort auf Donald Trump gefunden?
Nicht wirklich. Denn der Blick auf die Zahlen verrät, dass der 34-Jährige nie nur der Kandidat der Arbeiterklasse war. Mit einer bunten Kampagne in den sozialen Netzwerken und charismatischen Auftritten in Nachtklubs hat Mamdani vor allem die jungen, links-progressiven Stadtbewohner für sich gewinnen können.
Bejubelt von der „Cappuccino-Linken“
Diese Wählergruppe repräsentiert zwar einen wichtigen Teil von New York, doch keineswegs die gesamte Bevölkerung. Die Demokratische Partei sollte daraus keine voreiligen Schlüsse für ihre landesweite Strategie ziehen.
Mamdani, Sohn eines Eliteuni-Professors und einer preisgekrönten Filmemacherin, hat vor allem jene urbane Schicht überzeugt, die in den liberalen Metropolen als „Cappuccino-Linke“ verspottet wird. Es sind oft junge Akademiker, die sich die Werte der Arbeiterklasse als moralisches Statussymbol angeeignet haben. Sie propagieren mehr soziale Gerechtigkeit, wollen aber gleichzeitig nicht auf ihren morgendlichen Milchkaffee für sieben Dollar verzichten.
Ja, Mamdani holte auch Mehrheiten in zahlreichen sozial schwachen und migrantisch geprägten Vierteln in der Bronx und Queens. Haushalte, die im vergangenen Jahr weniger als 30.000 Dollar pro Jahr erzielten, entschieden sich aber nur zu 41 Prozent für Mamdani, wie Nachwahlbefragungen zeigen. Aus der Einkommensklasse zwischen 100.000 und 200.000 Dollar haben wiederum 55 Prozent für den selbst ernannten Sozialisten gestimmt.
Erst ab einem jährlichen Haushaltseinkommen von mehr als 300.000 Dollar nahm der Stimmenanteil wieder spürbar ab. Und während gerade einmal 40 Prozent der Menschen ohne Highschool-Abschluss für Mamdani votierten, holte er unter Hochschulabsolventen und Doktorwürdenträgern rund 57 Prozent.
Auch Demoskopen wiesen im Wahlkampf immer wieder auf eine Diskrepanz hin: Laut dem Manhattan Institute erhielt der Kandidat Mamdani deutlich mehr Unterstützung als seine Forderungen nach einem teilweise kostenlosen ÖPNV oder einer Reform der frühkindlichen Begabtenförderung. Wohl auch deshalb haben sich seine Anhänger nie dafür interessiert, wie Mamdani seine teuren Ideen eigentlich finanzieren will.
Demokraten vor unbequemer Wahrheit
In New York mag dieses Wahlmodell funktionieren, für das ganze Land aber ist es schwerlich repräsentativ. Die Demokratische Partei steht damit vor einer unbequemen Wahrheit: Mamdani hat die Sehnsucht nach Veränderung mobilisiert – aber weniger die Menschen, für die diese Veränderung am dringendsten wäre.
Sein Wahlsieg bleibt eine Art politischer Cappuccino: heiß serviert, schön aufgeschäumt – und doch ein Getränk für jene, die ihn sich schon immer leisten konnten.