Kommentar: Der Ölmarkt widersetzt sich Donald Trumps Kurs

Beim Blick auf die US-Wirtschaft reiben sich viele Ökonomen verwundert die Augen. Trotz massiver Zölle bleibt die Inflation niedrig, die Arbeitslosigkeit auf Rekordtief, das Wachstum solide. Trumps America-first-Ökonomie scheint den Gesetzen der ökonomischen Lehrbücher zu trotzen.
Doch jetzt stößt der Präsident an die Grenzen seiner eigenen Logik – ausgerechnet auf dem Ölmarkt, der für ihn das Symbol amerikanischer Stärke ist. Die Industrie fährt ihre Aktivitäten zurück, und Energiemanager blicken so pessimistisch in die Zukunft wie seit Jahren nicht mehr, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Das große Versprechen der „Energiedominanz“ verliert plötzlich an Strahlkraft.
Trumps Doppelstrategie hat die Branche in eine Sackgasse geführt: Mehr Förderung und gleichzeitig billiges Benzin – beides zusammen funktioniert nicht. Wer Öl billig hält, nimmt Investoren den Anreiz zum Bohren. Wer zu viel fördert, drückt die Preise weiter nach unten.
Neue Maßnahmen dürften verpuffen
Zwar fördern die USA mit rund 13,5 Millionen Barrel am Tag so viel wie nie zuvor. Doch ähnliche Niveaus gab es schon unter Joe Biden, den die Branche für seine Umweltauflagen heftig kritisierte. Trumps neue Maßnahmen – zusätzliche Pachtverkäufe, niedrigere Lizenzgebühren, Steuererleichterungen – dürften hingegen verpuffen.
Nach Berechnungen der Industrie sinkt die Gewinnschwelle neuer Förderprojekte um gerade einmal wenige Dollar pro Barrel. Zu wenig, um milliardenschwere Investitionen in einem volatilen Markt zu rechtfertigen.
Ölmarkt wird zum Lackmustest
Zudem verschieben sich die globalen Kräfte. Neue Anbieter wie Brasilien oder Guyana drängen mit günstigerem Öl auf den Markt, zugleich verschärft die Opec ihre Rolle als Taktgeber des Marktes. Zuletzt hat das Ölkartell mehrere Ausweitungen der Produktionsmengen beschlossen. Das dürfte weiteren Druck auf die Preise ausüben.
Damit wird der Ölmarkt zum Lackmustest für Trumps wirtschaftspolitische Doktrin. Sie gleicht einem Hochseilakt ohne Netz – beeindruckend, solange er gelingt, aber fatal, wenn das Gleichgewicht kippt.
Am Ende zeigt sich: Auch ein Präsident, der glaubt, die Gesetze des Marktes neu schreiben zu können, bleibt an ihre alten Regeln gebunden.
Erstpublikation: 12.10.2025, 09:35 Uhr.