Kommentar: Die Bundesregierung kann kein Interesse daran haben, dass ein russisches Gasrohr den Westen spaltet
Die Amerikaner haben mit ihrer Sanktionspolitik den Bau der Pipeline zwar gestoppt – aber zu einem hohen politischen Preis.
Foto: dpaOb Nord Stream 2 jemals vollendet wird, lässt sich noch immer nicht vorhersagen. Doch selbst wenn es so kommt, selbst wenn die Pipeline in Betrieb geht, ist klar: So viel Erdgas, wie nötig wäre, um den Schaden aufzuwiegen, den sich die Bundesregierung mit ihrer politischen Unterstützung für das Kreml-Projekt angerichtet hat, kann gar nicht über den Grund der Ostsee strömen.
Die Pipeline hat Misstrauen gegen Deutschland in Europa geschürt und die transatlantischen Beziehungen vergiftet. Sie hat Zweifel daran geweckt, ob es Berlin mit der Energiewende ernst meint, und die Glaubwürdigkeit der deutschen Russlandpolitik untergraben – eine eindrucksvolle außenpolitische Negativbilanz für ein Bauvorhaben, das nach Berliner Darstellung doch angeblich primär privatwirtschaftlicher Natur ist.
Das Besondere an dem Debakel namens Nord Stream 2 ist allerdings, dass nicht nur die Bundesregierung in der Bredouille steckt. Und genau darin könnte nun der Schlüssel zur Überwindung der Krise liegen.
Auch die Amerikaner haben sich verrannt. Mit ihrer Sanktionspolitik haben sie den Bau der Pipeline zwar gestoppt – aber zu einem hohen politischen Preis. Wenn Bündnispartner ihre Meinungsdifferenzen mit Sanktionen ausfechten, erodiert die Grundlage der Partnerschaft.
Anders als die Vorgängerregierung, deren diplomatisches Repertoire sich in Kasernenhof-Kommandos erschöpfte, erkennt das Team um den neuen US-Präsidenten Joe Biden, dass die Bestrafung von Verbündeten ein Irrweg ist.
Biden und sein Außenminister Antony Blinken suchen nach Auswegen. Unter ihrer Führung bleiben die USA bei ihrer Ablehnung von Nord Stream 2, ohne wichtigere Ziele aus dem Auge zu verlieren. Zum Beispiel die Wiederbelebung der westlichen Allianz.
Schon bei seiner Anhörung im US-Senat wollte sich Blinken nicht darauf festlegen, die bisherige Sanktionspolitik fortzusetzen. Und damit das Signal auch ganz sicher ankommt in Berlin, schob ein amerikanischer Regierungsvertreter im Handelsblatt jetzt ein klares Bekenntnis zur Gesprächsbereitschaft hinterher. Diese Chance darf die Bundesregierung nicht verstreichen lassen. Sie kann kein Interesse daran haben, dass ein russisches Gasrohr den Westen spaltet.
Genau das aber wird Nord Stream 2 auch weiterhin tun, wenn stures Beharren auf der eigenen Energiesouveränität die Maxime der Berliner Entscheidungsträger bleibt. Es ist Zeit für konstruktive Verhandlungen.
Diese setzen voraus, dass Deutschland die politischen Bedenken seiner Partner ernst nimmt und Vorschläge macht, wie verhindert werden kann, dass der Kreml Nord Stream 2 als Waffe einsetzt.