Kommentar: Die Corona-Hilfen bringen der Touristik vor allem Stillstand

Fragwürdiger Preiskampf mithilfe von Staatsgeldern.
Wer auf der Homepage von Tui nach Urlaubsangeboten sucht, kann sich derzeit vor Sonderangeboten kaum retten. „Bis zu 46 Prozent sparen“, springt Suchende eine Pop-up-Werbung an, „Sommerangebote bis zu 54 Prozent günstiger“, verspricht ein anderes Reklamebanner. Die Furcht vieler Wettbewerber, Europas größter Reiseveranstalter könnte mithilfe der üppig geflossenen Staatshilfen die Marktpreise drücken, scheint alles andere als unbegründet.
Wie kaum ein anderes Land der Welt zahlte die Bundesrepublik den Restaurants, Hotels, Reisebüros und Reiseveranstaltern, die in der Coronakrise von Zwangsschließungen oder Ertragseinbußen betroffen waren, Unterstützungsbeträge.
Allein 2020 kam Deutschland insgesamt an Wirtschaftshilfen laut Berechnungen des Internationalen Währungsfonds auf 8,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Die reiche Schweiz knauserte mit 4,8 Prozent, Betriebe in Italien mussten sich mit 4,9 Prozent begnügen, Spaniens Wirtschaft sogar nur mit 3,5.
Die Zahl der Insolvenzen hielt die Bundesregierung damit zwischen Flensburg und Garmisch gering, doch der Preis ist nicht nur für Deutschlands Steuerzahler enorm. Das wohlfeile Verteilen üppiger Staatshilfen, so zeigt sich jetzt, führt zu gefährlichen Marktverwerfungen. Diese belasten den Neustart nach der Pandemie.
Der staatliche Markteingriff schädigt die Effizienz im Reisevertrieb
Der Fall Tui ist nur einer von vielen. Rund 4,3 Milliarden Euro erhielt der Touristikriese seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Form von Bürgschaften, Krediten und Eigenkapitalspritzen vom Staat. Das Geldpolster, das auch aus Steuern der Wettbewerber Alltours, Schauinsland-Reisen oder DER Touristik stammt, nutzt der Konzern aus Hannover nun geschickt, um mit Sonderangeboten in den Verdrängungswettbewerb einzusteigen.
Während die Urlaubspreise aufgrund teurer Hygienemaßnahmen und kulanter Stornobedingungen eigentlich deutlich nach oben gehen müssten, fallen sie derzeit branchenweit. Der Preisdruck des staatlich subventionierten Marktführers, so steht zu befürchten, könnte bald schon insbesondere kleinere Wettbewerber in die Pleite treiben.
Der staatliche Markteingriff schädigt auch die Effizienz im Reisevertrieb. Mit 10.000 Reisebüros, schätzen Branchenexperten, ist der deutsche Markt zu rund 40 Prozent überbesetzt. Entsprechend gering ist in den Agenturen die Ertragskraft, entsprechend hoch die Gefahr einer Insolvenz.
Doch die üppigen Hilfsgelder der Bundesregierung zementieren nur die Misere. Viel wünschenswerter wäre es gewesen, den nahezu ungeregelten Berufszugang von Reiseverkäufern zu beenden und stattdessen für die Hilfszahlungen eine Mindestqualifikation zu verlangen. Denn immerhin vertrauen ihnen Millionen Deutsche große Teile ihres Ersparten an.
Ungleiche Verteilung von Hilfen in der Hotelbranche
Für Kopfschütteln sorgt erst recht die Verteilung von Corona-Hilfsgeldern an die deutsche Hotelbranche. Anders als bei Tui oder Lufthansa gab es für sie eine kleinliche Deckelung, die insbesondere in den ersten Monaten der Pandemie bei größeren Herbergsbetreibern Existenzängste schürte.
Weil sich die Bundesregierung zunächst hinter angeblichen Beihilferegeln der EU versteckte, sah Berlin für große Ketten wie Lindner, Althoff-Hotels oder Motel One lediglich Hilfen im Gesamtwert von jeweils einer Million Euro vor – die dann zudem erst mit monatelanger Verspätung flossen.
Verbundene Unternehmen, etwa Hotelrestaurants, Wellnessanlagen oder hauseigene Brauereien, waren gar nicht antragsberechtigt. Dass die Überbrückungshilfe III am Ende auf eine Höchstsumme von zehn bis zwölf Millionen Euro ausgeweitet wurde, hilft vielen Hotelketten nur bedingt. Allein die Hotelkette Dorint mit ihren 60 Häusern rechnet vor, dass ihr Corona bis Juni 2021 Kosten von knapp 56 Millionen Euro bescherte.
Kleinere Hotels unterhalb solcher Schwellen, die oft schon vor der Pandemie unter Ertragsschwäche litten, hielt die Staatshilfe dagegen komplett über Wasser. Ihnen versprach Finanzminister Olaf Scholz, 75 Prozent der eingebüßten Erlöse (abzüglich Kurzarbeitergeld) zu erstatten, während bei vielen der Fixkostenanteil vom Umsatz gerade einmal 50 Prozent betrug.




Dass dadurch auch in der Übernachtungsbranche die dringend benötigte Konsolidierung ausblieb, ist nur eines der großen Ärgernisse. Ein anderes: Rutschen die staatlich gepäppelten Hotel- und Reiseanbieter am Ende doch noch in die Pleite, droht damit ein klarer Fall von Steuergeldverschwendung.





